Andreas Klein, Sebastian Dennerlein, Helmut Ritschl (Hrsg.)
utb., Tübingen, 2024, 460 Seiten, 39,90 €, ISBN 978-3-8252-6257-0
Dem Buch Health Care und Künstliche Intelligenz liegt eine Webinar Reihe „AI in Health Care & Ethics“ zugrunde, die die Zielsetzung verfolgte, verschiedene Akteure des Gesundheitswesens zusammenzubringen. Die Veranstaltungen beinhalteten Konzepte zu Künstlicher Intelligenz im Kontext zu aktuellen Anwendungsbeispielen.
In diesem Herausgeberwerk werden Inhalte der Webinar-Reihe aufgegriffen und durch ergänzende neue Erkenntnisse vertieft. Dabei liegt der Fokus auf den jüngsten Entwicklungen der Technologien von Künstlicher Intelligenz und deren Bedeutung in verschiedenen Settings des Gesundheitssystems. Die rasante Weiterentwicklung von KI stellt die besondere Herausforderung dar, insbesondere im Hinblick auf ethische Fragestellungen. Dieser Herausforderung möchte das Werk begegnen und zum interdisziplinären Austausch und Weiterentwicklungen anregen. Die Herausgeber möchten einen gut verständlichen Überblick zur Thematik geben.
Sebastian Dennerlein, Ass.-Prof. Dr. der Psychologie, lehrt und forscht an der Universität Twente (Niederlande). Seine Schwerpunkte konzentrieren sich auf individuelles und soziales Lernen, insbesondere technologiegestütztes Lehren und Lernen.
Andreas Klein, Ass.-Prof. Mag. Dr. der evangelischen Theologie lehrt an der Universität Wien und der FH Johanneum in Graz (Österreich). Er ist Eigentümer von Ethik Consulting Klein GmbH. Seine inhaltlichen Schwerpunkte liegen vor allem im Bereich Ethik im Gesundheitswesen, Medizinethik und Digitalisierung.
Helmut Ritschl ist Institutsleiter für Radiotechnologie der FH Johanneum in Graz (Österreich). Er befasst sich schwerpunktmäßig mit Technologie-Akzeptanz und Performance Analysen im Gesundheitssektor.
Neben den drei Herausgebern tragen zahlreiche Autoren zu den verschiedenen Aspekten Künstlicher Intelligenz und Ethik im Gesundheitsbereich tiefergehende Erkenntnisse zusammen. Zum überwiegenden Teil kommt die Autorenschaft aus Österreich und aus akademischen Fächern. Vertreten sind vor allem Informatik, Softwareentwickler, Radiotechnologie. Ergänzt werden Perspektiven der Logopädie, Physiotherapie, Pflege, Medizin und Physik. Ergänzende Perspektiven sind Qualitätsmanagement, Recht, Datenschutz und Versorgungsforschung.
Das vorliegende Werk gliedert sich in vier Abschnitte. Der thematischen Hinführung und Einordnung von Begrifflichkeiten in der Einleitung schließen sich im ersten Abschnitt zunächst die technischen Perspektiven an. Hier werden grundlegende Zusammenhänge und Funktionsweisen von Technologien der Künstlichen Intelligenz erklärt. Der Abschnitt schließt mit einem ersten Blick auf daraus resultierende ethische Herausforderungen ab. In Abschnitt 2 folgt die Darstellung von KI-Anwendungen in unterschiedlichen Domänen des Gesundheitswesens. Der dritte Abschnitt befasst sich mit ethischen und rechtlichen Fragestellungen sowie Lösungsansätzen. Mit dem vierten und letzten Abschnitt werden abschließend Konsequenzen des Einsatzes von KI-Technologien aufgezeigt und Notwendigkeiten daraus abgeleitet.
Der Ansatz des Herausgeberwerkes Health Care und Künstliche Intelligenz, den Einsatz von Technologien der künstlichen Intelligenz im Gesundheitssystem zu fokussieren und in Bezug zu ethischen Bedeutungen zu betrachten, ist nicht neu. In den vergangen 5-6 Jahren haben sich Wissenschaftler mit verschiedenen Fragestellungen zum Thema auseinandergesetzt. Auch die Anwendung verschiedener Technologien im Bereich Health Care hat in den vergangenen Jahren zunehmend Fahrt aufgenommen.
So wird umfassend dargestellt, wie derzeitige Technologien funktionieren und wie deren aktuelle Entwicklungen die jeweiligen Anwendungsgebiete beeinflussen. Es werden Risiken ebenso herausgearbeitet wie Entwicklungspotentiale. Damit dient das Werk verschiedenen Berufsgruppen dazu, spezielle hier vorgestellte Anwendungsbeispiele zu reflektieren. Expert*innen und Studierende als Akteure im Gesundheitswesen, aber auch anderer Fachgebiete wie Informatik, Recht oder Versorgungsorganisation sind Zielgruppen. Diese sollen über Impulse und ethische Fragestellungen dieses Buches miteinander in die Diskussion und den Austausch kommen.
Insbesondere im Kapitel „Ethische Perspektiven eines verantwortungsbewussten Umgangs mit Künstlicher Intelligenz“ (S. 103ff.) stellt sich die Frage nach einer Definition von „gutem Handeln“. Es werden mögliche Reflexionstools und Strukturen beschrieben und erläutert. Die Gestaltung von Leitlinien hat eine zentrale Bedeutung und orientiert sich maßgeblich an den Grundrechten. Daraus werden vier ethische Grundprinzipien beschrieben und in Bezug gesetzt zu Aspekten, die in „ethischen Leitlinien für eine vertrauenswürdige KI“ fokussiert werden müssen.
Die Gestaltung des Buches ähnelt eher der eines Konferenzbandes. Die Reihenfolge der einzelnen Themen erschließt sich nicht immer. Die einzelnen Beiträge sind wissenschaftlich und inhaltlich fundiert und bilden den theoretischen Rahmen. Die jeweilige ethische Perspektive findet sich nicht in jedem Unterkapitel unter z. B. „Diskussion“ oder „Ausblick und Herausforderungen“ wieder. Die in einigen wenigen Kapiteln abschließend gestellten Reflexionsfragen bzw. deren Zielsetzung scheinen eher für die Webinar Reihe sinnvoll und gedacht zu sein. Insbesondere im Hinblick auf die Zielsetzung, die der Untertitel „Ethische Aspekte verstehen – Entwicklungen gestalten“ impliziert, erwartet die Leserschaft vermutlich, dies in jedem Kapitel wieder zu finden. Grafische Darstellungen sind in einzelnen Kapiteln vorhanden. Diese in den Gesamtzusammenhang des Buches zu stellen, wäre für einen „gut verständlichen Überblick“, wie im Vorwort angekündigt, förderlich. Manche Abbildungen sind kaum lesbar (z. B. S. 205 oder 348). Einzelne Perspektiven in den Anwendungsbeispielen verteilen sich nicht gleichmäßig über alle Fachgebiete des Gesundheitssektors. Dies mag einerseits daran liegen, dass beispielsweise in der Radiotechnologie Systeme der Bildauswertung schon länger praxisrelevant und weiter fortgeschritten in der Anwendung sind. Dies spiegelt sich auch in der Anzahl der entsprechenden Beiträge wider.
Insgesamt spricht das Buch „Health Care und Künstliche Intelligenz“ sehr aktuelle Fragen nach Chancen und Risiken an. Es gibt Antworten, Impulse und Aufgaben für aktuell vorhandene Bedarfe und Bedürfnisse. Perspektiven aus der Bildungswissenschaft im Hinblick auf Zukunftskompetenzen (z. B. Framework zu Digitalkompetenzen Lehrender) oder der Bezug zu Empfehlungen aus den Bildungsministerien fehlen. Diese stellen jedoch eine wichtige Grundlage für die Implementierung in einzelne Curricula und Bildungsgangarbeiten dar.
Wichtige Kernbotschaften sind die Notwendigkeit der kritischen Reflexion des Begriffes „Intelligenz“, die Entwicklung eines technischen Verständnisses sowie das Erlangen von Klarheit, was „das Gute“ in Bezug auf die Mensch-Maschine-Interaktion ist. Nicht zuletzt durch die Forderung, dass KI-Systeme stets in Rücksprache mit dem Menschen angewendet werden sollten. Erst gegen Ende des Lesens wurde klar, dass der Referenzrahmen das österreichische Gesundheitswesen ist.
Hilfreich wäre eine nach dem vierten und letzten Abschnitt folgende Conclusio mit Ausblick gewesen.
Eine Rezension von Marijon Oltmann