Literaturreviews für Gesundheitsberufe. Recherchieren – Bewerten – Erstellen

71jknKzxwZS. AC UF8941000 QL80 Hanna Mayer, Silvia Raphaelis, Andrea Kobleder 

Facultas, Wien, 2023, 2. Auflage, revidierte Ausgabe, 252 Seiten, 28,10 €, ISBN: 978-3-7089-2337-6

 

Das Buch „Literaturreviews für Gesundheitsberufe – Recherchieren – Bewerten – Erstellen“ ist 2021 in erster Auflage im Facultasverlag erschienen und wendet sich laut der Einleitung vor allem an Bachelorstudierende in den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, denen mit dieser Publikation zu mehr Informationskompetenz verholfen werden soll. Literatur gut zu recherchieren, zu bewerten und zusammenfassend darzustellen, ist ohne Frage eine Kompetenz, die nicht nur für Studierende relevant ist und die im Zuge einer zunehmenden Zahl an Publikationen auch in den Gesundheits- und Pflegewissenschaften immer mehr an Bedeutung gewinnt. Die Autorinnen sind in diesem Bereich gut ausgewiesen.

Das Buch gliedert sich in drei Hauptteile. Im ersten Teil werden auf circa 40 Seiten Grundlagen der Literaturarbeit erläutert. Teil zwei widmet sich auf etwas mehr als 120 Seiten dem Prozess der Suche, der Bewertung und der Synthese relevanter Literatur. Im dritten Teil werden auf etwa 40 Seiten praktische Beispiele für Literaturreviews vorgestellt. Didaktisch arbeiten die Autorinnen mit vielen Beispielen und Tipps. Arbeitsaufgaben, die Schritt für Schritt an die Umsetzung eines eigenen Reviews heranführen, gibt es allerdings nicht.

Die Grundlagen der Literaturarbeit sind zunächst sehr breit gefasst, indem als erstes der Begriff der Literatur allgemein erläutert wird und auch das Internet vorgestellt wird. Das Kapitel vier zu den Arten von Reviews ist demgegenüber sehr viel differenzierter und enthält auch für im Feld tätige WissenschaftlerInnen wahrscheinlich noch einige neue Informationen. Die Autorinnen beziehen sich in den Beispielen sehr oft auf eigene Arbeiten, was legitim ist, da es speziell von Hanna Mayer viele einschlägige Publikationen zum Thema gibt. Manchmal wünscht man sich beim Lesen dennoch etwas mehr den Blick über den Tellerrand und etwas mehr internationale Referenzen. Der erste Teil bietet aber trotzdem einen guten Einstieg ins Thema.

Im zweiten Teil geht es dann um die praktischen Schritte, die in der Erstellung eines Literaturreviews durchlaufen werden. Die Autorinnen fokussieren dabei vor allem auf die Datenbanken PubMed und CINAHL und stellen daran beispielhaft dar, wie man von allgemeinen Überlegungen zu Suchbegriffen zu einem konkreten Suchstrang kommt und welche Möglichkeiten der Einschränkung oder Erweiterung von Suchstrategien es gibt. Das ist alles sehr praktisch gehalten, wirkt aber für meinen Geschmack durch die Vielzahl an Screenshots, die einfachste Begriffe wie die Boole´schen Operatoren „and“, „or“, „not“ jeweils für PubMed und CINAHL zeigen, etwas aufgebläht. Die Autorinnen sind aber ohne Frage gut informiert und verweisen auch auf kleine, aber relevante Unterschiede zwischen den Datenbanken. 

Der inhaltlich besonders wichtige Teil der Bewertung der Literatur (Kapitel zwölf) kommt demgegenüber meines Erachtens etwas zu kurz und ist gleichzeitig zum Teil etwas redundant, wenn man beispielsweise die Kriterien zur Einschätzung quantitativer und qualitativer Studien in den Tabellen 13 und 14 (S. 146 ff.) betrachtet. Auch unter der Maßgabe, dass sich das Buch vor allem an Bachelorstudierende wendet, wäre hier etwas mehr Material zu klassischen Bewertungsverfahren wie GRADE u. ä. gut gewesen. Im Kapitel 14 zum Verschriftlichen (Reporting) der Ergebnisse kann man sich ebenso fragen, ob die Informationen des EQUATOR-Netzwerks nur etwas für Fortgeschrittene sind, wie der Hinweis auf Seite 164 lautet. So ist beispielsweise das Ablaufschema des EQUATOR-Netzwerks zur Ermittlung der passenden Reporting Guideline aus meiner Sicht durchaus auch Bachelorstudierenden verständlich zu machen und ist eine nützliche Hilfe sowohl bei der Bewertung fremder als auch bei der Darstellung eigener Arbeiten. 

Der dritte Teil stellt dann praktische Beispiele vor und beginnt mit einer unterstützenswerten Ermutigung für Studierende, auch ihre Arbeiten zu publizieren, ohne die Grenzen einer Bachelorarbeit außer Acht zu lassen. Am Beispiel einer Arbeit von Teresia Bartolomeoli werden noch einmal grundlegende Fragen des Aufbaus einer Bachelorarbeit und speziell der Vorgehensweise bei der (guten) Literaturaufbereitung diskutiert und erläutert. Die komplette Arbeit befindet sich auch im Anhang des Buches. Sie ist aber leider wie auch manche Screenshots so klein formatiert, dass es kaum lesbar ist. 

Die weiteren Beispiele für verschiedene Arten von Reviews bieten noch einmal gute Umsetzungen der in den Teilen eins und zwei beschriebenen grundsätzlichen Fragen und praktischen Schritte bei der Erstellung von Literaturarbeiten. Das Buch endet ohne ein zusammenfassendes Fazit oder weitere Ausblicke. 

Insgesamt ein nützliches und gut lesbares Buch zu einem relevanten und dauerhaft aktuellen Thema. Wie sinnvoll es ist, gedruckte Bücher zu einem Thema zu verfassen, bei dem sich sowohl die Inhalte als auch die vielen Tools zu Recherche, Bewertung und Synthese von Literatur sehr schnell und dynamisch verändern, darüber kann man streiten. Das Buch bietet dennoch gerade für AnfängerInnen im wissenschaftlichen Arbeiten einen guten Einstieg. Zum Teil geht es auch darüber hinaus.

Eine Rezension von Martin Grünendahl