Dement, aber nicht vergessen: Was Menschen mit Demenz gut tut – acht Empfehlungen

dement aber nicht vergessenMichael Schmieder (mit Uschi Entenmann & Erdmann Wingert)

Ullstein Buchverlage, 1. Auflage 2022, 240 Seiten, ISBN 978-3-86493-180-2, 22,99€

 

Michael Schmieder ist ausgebildeter Pfleger und hat einen Masterabschluss in Ethik. Bis 2015 leitete er das Pflegeheim Sonnweid bei Zürich. Er hält regelmäßig Vorträge über Demenz und wurde von der Paradies-Stiftung für sein Lebenswerk geehrt. Uschi Entenmann und Erdmann Wingert schreiben beide Reportagen bei Zeitenspiegel. Das Buch entstand aus der Erfahrung als Leitung des Pflegeheims und aus der persönlichen Expertise von Michael Schmieder.

Millionen Menschen in Deutschland leiden an Demenz und täglich kommen hunderte hinzu. Für viele Angehörige stellt sich dabei die Frage eines angemessenen Umgangs mit den Betroffenen. Was ist zu tun, wenn Eltern, Partner oder Geschwister an Demenz erkranken und ihnen zunehmend die Fähigkeit verloren geht, ein selbstbestimmtes Leben zu führen? Das Buch beschreibt hierzu themenspezifische Situationen von Betroffenen und ihren Angehörigen, bei denen nicht die Erkrankung, sondern der Mensch im Fokus steht.

Die ersten Anzeichen einer Demenz sind häufig für die Betroffenen und ihre Angehörigen irritierend und erschreckend zugleich. „Meist spüren Menschen mit beginnender Demenz selbst als erste, dass etwas nicht stimmt. Sie leiden unter Erinnerungslücken, Namensverwechslungen oder haben Orientierungsprobleme. Manche neigen dazu, die Anzeichen zu ignorieren und zu vertuschen, weil sie ihnen Angst machen. Die bessere Alternative ist, das Gespräch mit Freunden, der Familie und dem Arzt zu suchen“. Bereits mit diesen einführenden Sätzen verdeutlicht der Autor, dass für ihn ein adäquater Umgang mit den Betroffenen in der Beziehungsgestaltung, der sozialen Interaktion und einer empathischen Kommunikation liegt. Tiefe und ehrliche Einblicke in das Empfinden der Betroffenen und Angehörigen geben Hinweise, wie sie mit der Krankheit umgehen. Das Buch erklärt praktische Vorgehensweisen und in einfachen Worten, wie schwierige Situationen durch Beziehungsaufbau und Kommunikation gemeistert werden können.

Der Titel verspricht acht Empfehlungen, liefert zwischen den Zeilen jedoch deutlich mehr Hinweise für einen gelungenen Umgang mit den Betroffenen. In Kapiteln wie „Hilfe für Zuhause“, „Beziehung ist alles“ und „Das Leben ist schön!“ veranschaulicht der Autor anhand von Dialogen, wie auch aus den schwierigsten Situationen etwas Positives gewonnen werden kann und lädt damit zu weiterem Nachdenken ein. Ferner liefert das Kapitel „Lieber tot als demenzkrank?“ eine ethische Gegenüberstellung zwischen Sterben und an Demenz erkrankt sein, bei dem Schmieders theoretische und praktische Expertise deutlich wird. Von Hilfestellungen für zu Hause über Orientierungsschwierigkeiten der Betroffenen bis hin zum Beziehungsaufbau schildern auch die weiteren Kapitel Problemfelder, auf die mit naheliegenden Maßnahmen so reagiert wird, dass Betroffene und Angehörige ein sinnvolles Ergebnis erzielen können. Der Autor beschreibt dazu zahlreiche Alltagssituationen, in denen sich Angehörige und Pflegende wiederfinden werden. In den beiden abschließenden Kapiteln „Wie sich unsere Krankenhäuser verändern müssen“ und „So könnte die Zukunft aussehen“ geht der Autor mit weiteren Vorschlägen darauf ein, wie seiner Vorstellung nach, eine menschenwürdige Pflege in Zukunft gelingen kann. Jedes der acht Hauptkapitel verfügt zudem „In aller Kürze“ über eine Zusammenfassung der wichtigsten Fragen und Antworten. Damit bekommen Lesende das Wesentlich nochmal vor Augen geführt.

Für Angehörige und Pflegekräfte ist es oft schwer zu erkennen und zu verstehen, was Menschen mit Demenz sich wünschen bzw. was sie benötigen. Das Buch ist eine Anleitung für den täglichen Gebrauch, die erklärt, wie wir Menschen mit Demenz begegnen können. Im Zentrum stehen dabei die Fragen: Was wünschen sich die Menschen mit Demenz und wie können wir verstehen, was sie wirklich brauchen? Hierzu werden allgemeingültige Antworten zur persönlichen Einstellung aufgezeigt, die entlasten und helfen können, denn: Ist die Haltung, mit der den Betroffenen begegnet wird von Achtung und Sympathie geprägt, erschließt sich der Rest fast wie von selbst.

Demenzen haben bekanntermaßen viele Gesichter. Das Buch „Dement, aber nicht vergessen: Was Menschen mit Demenz gut tut – acht Empfehlungen“ bietet einen weitgefassten Einblick in die Zusammenhänge von der Beziehungsgestaltung, der Kommunikation und dem Umgang zwischen Betroffenen und Angehörigen. Damit greift Michael Schmieder bekannte Themenfelder auf, die jedoch für immer mehr Menschen aktuell sind. Neu daran ist die ethische Auseinandersetzung, welche durch die Dialogform indirekt vollzogen wird und die Leserschaft zum weiteren Nachdenken anregt. Wenn es doch nur so einfach wäre! Durch die vielen Dialoge werden die Empfehlungen zwar nachvollziehbar, liefern jedoch keine Lösungen für die erschwerenden Kontextfaktoren. Dementsprechend handelt es sich nicht um ein Fachbuch, sondern eher um ein Essay mit Empfehlungen, dass sich mit der persönlichen Haltung und dem richtigen Umgang befasst, ohne allzu maßgebende Vorgaben zu setzen. Von der Theorie der Beziehungsgestaltung hinein in die tägliche Praxis wird mit einfachen Worten vermittelt, wie belastende Situationen gemeistert werden können. Geeignet ist das Buch vor allem für Angehörige, die Hilfe in schwierigen Situationen suchen und interessierte Pflege- und Gesundheitsfachkräfte.

Eine Rezension von Jan-Hendrik Ortloff M.A.