Qualitätsmerkmal Beziehung – Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz

Qualitätsmerkmal Beziehung Pflege und Betreuung von Menschen mit DemenzMonika Hammerla Claassen, Rainer Klein

Schlütersche, Hannover, 2021, 276 Seiten, 34,95 €, ISBN 978-3-8426-0850-4

 

Monika Hammerla Claassen ist Fachpflegekraft für Gerontopsychiatrie und Geriatrische Rehabilitation; Rainer Klein ist Diplom-Verwaltungswirt.

Der Beziehungsaufbau zwischen Pflegekräften und Menschen mit Demenz ist ein zentrales Element in der Versorgung und Betreuung dieser vulnerablen Personen. Dazu bietet der personzentrierte Ansatz nach Tom Kitwood in diesem Buch die Grundlage für die Gestaltung und Umsetzung von Beziehungen, der anhand des Expertenstandards Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz von den Autor*innen auf zahlreiche Praxisbeispiele übertragen worden ist.

Das übergeordnete Thema ist die Sichtweise auf Menschen mit Demenz, die entsprechend der Theorie von Kitwood als Person und nicht als Träger einer Erkrankung gesehen werden müssen. Die Autor*innen greifen die Beziehungsgestaltung breitgefächert auf, sodass die Leser*innen zunächst durch Inhalte zur Bindung, Beziehung und Haltung in die Thematik eingeführt werden. Darauf aufbauend werden die Beziehungsgestaltung und Kontaktaufnahme anhand des personzentrierten Ansatzes, der Biographiearbeit und der Integrativen Validation aufgezeigt und exemplarisch auf konzeptuelle Angebote ausgewählter Institutionen übertragen. 

Der Umgang und die Beziehungen zwischen Pflegekräften und Menschen mit Demenz können intensiv, herausfordernd und störungsanfällig sein, da insbesondere Menschen mit einer fortgeschrittenen Demenz nur eingeschränkt interagieren und kommunizieren können. Dies kann sich äußern, indem Informationen von den Betroffenen nur bedingt oder sogar verzerrt aufgenommen werden, wodurch sich diese desorientiert, isoliert und einsam fühlen können. Aus diesem Grund sollte die Kommunikation und Beziehungsgestaltung durch Emotionen und persönliche Nähe geprägt sein. 

Um Menschen mit Demenz trotz ihrer Einschränkungen in ihrer Einzigartigkeit gerecht zu werden, ist die Beziehungsgestaltung der Schlüssel zum Erfolg. Die Autor*innen schlussfolgern dazu, dass Pflegekräfte eine personzentrierte Haltung erlernen und einnehmen sollen und veranschaulichen, welche Herausforderungen Pflegekräfte im Umgang mit Menschen mit Demenz zu meistern haben. Aus diesem Grund liegt ein besonderer Fokus des Buches auf dem Expertenstandard, auf dessen Basis eine gute Beziehung zu einem Qualitätsmerkmal werden kann. Dazu sind die theoretischen Inhalte des Expertenstandards aufgegriffen und auf praktische Ideen, Konzepte und Handlungsmöglichkeiten übertragen worden. Führungskräfte und Praktiker*innen sollen damit erfahren, wie der Expertenstandard erfolgreich implementiert
werden kann.

Die Implementierung des Expertenstandards ist für die Autor*innen Aufgabe der Leitung bzw. Aufgabe der Fachkraft  für Gerontopsychiatrie, was auf den beruflichen Werdegang der beiden Herausgeber*innen zurückzuführen ist. Der Beziehungsaufbau findet jedoch von allen Pflegekräften und unabhängig von ihrer Qualifikation statt, wodurch letzten Endes der Expertenstandard erst dann vollumfänglich in die Praxis implementiert wird, wenn die notwendigen Rahmenbedingungen für alle Pflegekräfte gegeben sind.

Neben den Inhalten des Expertenstandards bietet das Buch eine grobe Darstellung des Krankheitsbildes Demenz sowie zahlreiche kurze Praxisbeispiele zur Versorgung, Betreuung und Aktivierung der Betroffenen – über tagesstrukturierende Maßnahmen und die Gestaltung von Räumlichkeiten – bis hin zur Dokumentation und zur Evaluation. 

Aufgrund der Vielzahl aufgegriffener Themen fehlt es den einzelnen Inhalten an Tiefe. Die Leser*innen können sich zwar einen Überblick über die diversen Aspekte im Beziehungsaufbau und im Umgang mit Menschen mit Demenz verschaffen, im Kontext von Pflegepersonalmangel und Fluktuation bleibt jedoch die Frage offen, von wem und wann die Beziehungsgestaltung als Qualitätsmerkmal in der Praxis geleistet werden soll. Zudem sind die meisten der aufgeführten Praxisbeispiele seit Jahren bekannt. Neu ist lediglich der Expertenstandard. Somit eignet sich das Buch vor allem als Handreichung für Auszubildende und Pflegekräfte, für die diese Thematik neu ist. Für alle anderen ist es noch ein Buch, das sich in die mittlerweile sehr lange Liste an Bücher zum Thema Demenz einreiht.

Eine Rezension von Jan-Hendrik Ortloff