Modellprojekt: Mobile Hightech-Diagnostik für Pflegeheime im Saarland

Mobile Geriatrie UnitFür Bewohner von Pflegeheimen sind umständliche medizinische Untersuchungen, die bislang nur in Kliniken durchgeführt werden, belastend. Ein Modellprojekt im Saarland strebt nun an, diese Situation zu verbessern. Künftig soll ein mit modernster Medizintechnik ausgestattetes Fahrzeug direkt vor Ort in Pflegeheimen hochwertige Diagnosen ermöglichen. Die Universität des Saarlandes, das Universitätsklinikum und mehrere Partner erhalten für dieses deutschlandweit einzigartige Projekt über acht Millionen Euro Fördergelder.

Im Saarland existieren derzeit 160 Pflegeheime, in denen etwa 9000 Menschen leben, die oft an Demenz leiden oder in ihrer Mobilität stark eingeschränkt sind. Bei Beschwerden wie Magen-Darm-Problemen, unklaren Bewusstseinsstörungen oder Stürzen trotz Gehhilfen werden diese Menschen in der Regel für mehrere Tage ins Krankenhaus eingeliefert. Der Transport und die ungewohnte Umgebung belasten die Betroffenen erheblich und führen oft zu weiteren Komplikationen wie Verwirrtheitszuständen, Depressionen oder Wundliegen, erklärt Klaus Faßbender, Professor für Neurologie an der Universität des Saarlandes und Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum des Saarlandes.

Um das Leid der älteren Patienten zu lindern und die Notaufnahmen der Kliniken zu entlasten, hat Professor Faßbender ein umfangreiches Konzept für die mobile Diagnostik von Pflegeheimbewohnern entwickelt. Der Gemeinsame Bundesausschuss, das höchste Gremium der Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen, hat den Medizinprofessor beauftragt, im Rahmen eines dreijährigen innovativen medizinischen Versorgungsmodells ein entsprechendes Fahrzeug mit technischer Diagnostik zu entwickeln und es an saarländischen Pflegeheimen testweise einzusetzen. Für dieses Vorhaben wurden insgesamt über acht Millionen Euro Fördermittel bereitgestellt.

Erste Erfahrungen mit einem Modellfahrzeug für die Schlaganfallversorgung (Mobile Stroke Unit) sammelte Professor Faßbender bereits seit 2008. Dieses Fahrzeug enthält einen Computertomographen und Laborgeräte, um begleitende Ärzte vor Ort schnell eine Schlaganfall-Diagnose zu ermöglichen. Das neue Fahrzeug, eine sogenannte Mobile Geriatrie Unit (MGU), wird mit einem Computertomographen, Röntgen- und Ultraschallgeräten, EEG- und EKG-Geräten sowie einem Labor ausgestattet. Die MGU wird von Fachärzten, medizinisch-technischen Radiologie-Assistenten und Rettungssanitätern begleitet. Die in dem Spezialfahrzeug erhobenen Daten werden über eine geschützte mobile Übertragung direkt an Spezialisten im Universitätsklinikum übermittelt. Das Fachpersonal wertet die Befunde aus und stellt sie zeitnah den überweisenden Hausärzten zur Verfügung, um die Patienten im Pflegeheim vor Ort weiter zu versorgen. 

Die Innovation stärkt die Haus- und Fachärzte vor Ort und entlastet die Krankenhäuser, sodass diese mehr Zeit für schwerwiegendere Notfälle haben, betont Klaus Faßbender. Der Medizin-Professor hofft, dass bis zum Sommer 2024 alle technischen und rechtlichen Hürden genommen sind und das Fahrzeug in oder an saarländischen Pflegeheimen zum Einsatz kommt. Derzeit werden die Zufahrten und technischen Gegebenheiten zahlreicher saarländischer Heime geprüft, damit die Patienten zeitnah von der neuartigen mobilen Diagnostik profitieren können.

„Während der dreijährigen Laufzeit wird das Projekt wissenschaftlich begleitet, um den medizinischen und ökonomischen Nutzen als Basis für eine zukünftige Übernahme in die Regelversorgung zu evaluieren“, erläutert Michael Menger, Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität. Das Projekt "DIKOM - Diagnostik und Konsil im Pflegeheim mittels Mobiler Geriatrie Unit" wird durch die Saarländische Pflegegesellschaft, die Kassenärztliche Vereinigung, alle im Saarland tätigen Kranken- und Pflegekassen sowie verschiedene Institute der Universitätsklinik unterstützt. Die Universität des Saarlandes ist der Projektträger. Das Saarbrücker Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft (ISO) sowie das Berliner Institut für angewandte Versorgungsforschung (inav) werden das gesamte innovative Versorgungsprozess wissenschaftlich begleiten.

Dazu erklärt Jakob von Weizsäcker, Minister der Finanzen und für Wissenschaft des Saarlandes: „Die Idee von Professor Faßbender und seinem Team ist einfach und bestechend: Wenn Menschen im Alter nicht mehr mobil sind, dann machen wir die Hochleistungsdiagnostik mobil und bringen sie zu den Menschen. Die Förderzusage des Gemeinsamen Bundesausschusses über acht Millionen Euro unterstreicht das Potenzial dieses Ansatzes zum Beispiel für Pflegebedürftige. Jetzt kann der Prototyp der Mobile Geriatrie Unit hier im Saarland gebaut und erprobt werden. Die Chancen für Patienten und Gesundheitswirtschaft durch solche Innovationen auf dem Weg zum virtuellen Krankenhaus sind enorm. Ich bin begeistert von diesem Pionierprojekt made in Saarland.“

 

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Klaus Faßbender
Universität des Saarlandes /
Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum des Saarlandes
Tel.: 06841 162-4102
Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 


Zur Pressemitteilung: https://www.uni-saarland.de/aktuell/modellprojekt-pflegeheime-30091.html

Foto: So ungefähr wird die sogenannte Mobile Geriatrie Unit (MGU) aussehen, die künftig von Fachärzten, Medizinisch-Technische Radiologie-Assistenten und Rettungssanitätern begleitet wird © Fotomontage Team Faßbender

 

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