Digitalisierung im Pflege- und Gesundheitswesen – Grundlagen, Erfahrungen und Praxisbeispiele

Digitalisierung im Pflege und Gesundheitswesen Grundlagen Erfahrungen und PraxisbeispieleMichael Klösch (Hrsg.)

Hogrefe Verlag, Bern, 2024, 318 Seiten, 50,00 €, ISBN: 978-3-456-86182-1

 

Die Digitalisierung im Pflege- und Gesundheitswesen ist sowohl in der praktischen Arbeit als auch in der politischen Diskussion ein Dauerbrenner. Während seitens politischer Akteur:innen eine Arbeitsentlastung erhofft und verlangt wird, sind Pflege- und Gesundheitseinrichtungen häufig aufgrund finanzieller Zwänge digital abgehängt. Mit Blick auf diesen Widerspruch ist es hoch relevant, dass mehr darüber publiziert wird, welche Möglichkeiten die Digitalisierung im Pflege- und Gesundheitswesen bieten kann. Zugleich sollten Themen wie Praxistauglichkeit in der direkten Anwendung beachtet und evaluiert werden. In diesem Zusammenhang kann das hier rezensierte Buch einen Beitrag leisten.

Das Buch ist herausgegeben von Michael Klösch und enthält Beiträge zahlreicher Autor:innen zu verschiedenen Themen der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Michael Klösch ist Pflegewissenschaftler und Gesundheits- und Krankenpfleger. Zudem schrieb er bereits mehrere Publikationen und war an mehreren Projekten zur Digitalisierung beteiligt. Er arbeitet zurzeit als Produktmanager in der Sparte der Krankenhausinformationssysteme.

Mit dem vorliegenden Buch versucht der Autor einen kurzen Abriss über die wichtigsten Themenfelder der Digitalisierung aufzuzeigen. Dies verbindet er mit einer Darstellung diverser Projekte zur Digitalisierung aus unterschiedlichen Bereichen des Pflege- und Gesundheitswesens.

Die ersten 30 Seiten des Buches (Kap. 1 – 5) dienen der wissenschaftlichen Einordnung des Themenfeldes sowie der Klärung und Diskussion verschiedener Oberbegriffe, die häufig im Zusammenhang mit der Digitalisierung genannt werden. Dies geschieht hauptsächlich durch den Herausgeber selbst.

Im Hauptteil des Buches (Kapitel 6 mit zahlreichen Unterkapiteln), welcher sich auf ca. 160 Seiten erstreckt, werden zahlreiche internationale wissenschaftliche Erfahrungswerte und Projekte vorgestellt. Mit international ist hier der
D-A-CH-Raum gemeint, es sollten also keine globalen Sichtweisen auf dieses Thema erwartet werden. Die Darstellungen der Projekte und der Erfahrungswerte erfolgen in der Regel direkt durch Beteiligte an diesen Projekten.

In den sich anschließenden Kapiteln (Kap. 7 – 10) über insgesamt 50 Seiten werden wiederum verschiedene Aspekte beleuchtet, die im Rahmen der Digitalisierung Beachtung finden sollten. Beispielhaft geht es hier u. a. um Strategien zur Steigerung der Technikakzeptanz oder um Genderaspekte im Zusammenhang mit der Digitalisierung.

Das Buch enthält neben einem sehr detaillierten Inhaltsverzeichnis und einem umfassenden Literaturverzeichnis auch ein Herausgeber- und Autorenverzeichnis sowie ein Sachwortverzeichnis zur besseren Suche nach bestimmten Themen innerhalb des Buches.

In dem Vorwort des Buches legt der Herausgeber seinen Anspruch an sein Werk dar. Es solle einen Beitrag leisten, um ein solides Grundwissen zu schaffen „für zukünftige Diskussionen sowie die differenzierte Generierung von Argumenten“ zum Thema. Außerdem solle es „einen Überblick über die unterschiedlichen Schwerpunkte und ihre Rahmenbedingungen im Kontext der Digitalisierung im Pflege- und Gesundheitswesen geben“.

Diese zwei unterschiedlichen Zielsetzungen sollen mit den 3 Teilen des Buches erreicht werden. Der Schaffung von Grundwissen und verschiedenen Sichtweisen auf das Thema Digitalisierung sind ganz klar der erste und letzte Teil des Buches zuzuordnen, welche ca. ein Drittel des Buches ausmachen.

Geht man von Leser:innen aus, die sich vorab noch nicht mit dem Thema Digitalisierung im Pflege- und Gesundheitswesen auseinandergesetzt haben, ist es nur schwer vorstellbar, dass diese mit dem Lesen der insgesamt im wissenschaftlichen Schreibstil verfassten Grundlagen einen fühlbaren Wissenszuwachs erhalten. Diese Kritik gilt vor allem den ersten 5 Kapiteln, die eher als Einleitung des 6. Kapitels erscheinen und aus Sicht des Rezensenten unnötig häufig unterteilt wurden.

Im Gegensatz dazu sind die letzten Kapitel interessanter zu lesen und nehmen sich z. B. des wichtigen Themas der Technikakzeptanz an oder führen auch beispielhaft durch einen Veränderungsprozess bei der Einführung einer digitalisierten Pflegedokumentation. Die Lesart ist praxisnaher und kann somit z. B. dem Pflegemanagement als Hilfestellung dienen.

Der eigentliche Hauptteil des Buches dient aber der Vorstellung verschiedener Praxisbeispiele. Mit der Auswahl gelingt es dem Herausgeber, die Vielseitigkeit und Komplexität der Digitalisierung aufzuzeigen ohne dabei die Praxistauglichkeit außer Acht zu lassen. Die vielen Projekte bzw. bereits implementierten Technologien zeigen auf, dass uns dieses Thema im Pflege- und Gesundheitswesen schon seit längerer Zeit begleitet und keineswegs eine neue unbekannte Entwicklung bedeutet. Besonders anschaulich wird dies z. B. in dem Unterkapitel zur Beschreibung der elektronischen Rufanlangen – ein Projekt, an dem der Herausgeber selbst beteiligt war.

Die Vielseitigkeit der verschiedenen Kapitel und die Tatsache, dass diese auch von verschiedensten Personen aus dem Pflege- und Gesundheitsbereich geschrieben wurden, bietet ebenso thematische Abwechslung wie auch Vielfalt in der Art des Schreibens. Diese Abwechslung ist einerseits erfrischend, andererseits für ungeübte Leser:innen recht verwirrend. Eine Vereinfachung der Lesart hätte mit einer Art Schreibvorlage erreicht werden können, an der sich alle Autor:innen hätten orientieren müssen. So wäre innerhalb der verschiedenen Unterkapitel eine einheitliche Darstellung möglich gewesen, mit der sich die Leser:innen direkt auf ihre persönlichen Schwerpunkte konzentrieren können.

Insgesamt hält dieses Buch, was es auf der Titelseite verspricht: Es zeigt viele verschiedene Erfahrungen und Praxisbeispiele und stellt auch Grundlagen dar. Der Fokus liegt auf den Projekten, die in ganz unterschiedlicher Art und Weise dargelegt wurden. Der Bereich der Grundlagen ist allerdings zugunsten der Darstellung verschiedener Projekte etwas zu gebündelt bzw. in der Komplexität zu kurz angerissen, sodass hier (mit der Thematik) Unerfahrene keinen echten Wissenszuwachs erlangen und eher Erfahrene diese Kapitel schnell querlesen können.

Eine Rezension von Simon Ludwig-Pricha

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Arzneimittel in der Pflegepraxis – Sicherer Umgang mit Medikamenten

Arzneimittel in der Pflegepraxis Sicherer Umgang mit MedikamentenUlrich Räth, Friedhelm Kamann

Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 2023, 365 Seiten, 34,80 €, ISBN 978-3-8047-4205-5

 

Die Autoren Ulrich Räth (als Apotheker in Krankenhäusern tätig, Belieferung von Arzneimitteln in Senioren- und Behinderteneinrichtungen, Fachdozent für Arzneimittellehre, Autor von entsprechenden Fachbüchern) und Friedhelm Kamann (Gesundheits- und Krankenpfleger, Lehrer für Pflegeberufe, Fachdozent und mit Leitungsfunktion in Ausbildung und Weiterbildung tätig, Autor eines Fachbuches Arzneimittellehre für Altenpflegeberufe) zeigen in ihrem Werk den professionellen Umgang bei der Verabreichung von Medikamenten in der Pflege auf. 

Die grundlegenden zentralen Aufgaben von Pflegefachpersonen in diesem Zusammenhang beinhalten neben der Erhebung des Pflegebedarfs die Organisation und die Qualitätssicherung der Pflege, wobei im Buch der komplexen Medikationsthematik eine besondere Rolle zugeschrieben wird. 

Die Autoren fokussieren nach der ärztlichen Verordnung eine sachkundige Handhabung der Arzneimittel als „Ware besonderer Art“, die nicht allein die Aushändigung und Verabreichung an den Patienten beinhaltet, sondern viele erforderliche Parallelprozesse wie Beratung, Bestellung, Lagerung, Haltbarkeitskontrolle, Beachtung der Temperatur, Notfalllager, Auffindbarkeit, Reaktionen, Pharmaökonomie, Überblick über Generika, Bestellung, Eingangsüberwachung, Identifizierungen von Fälschungen, Kenntnisse über spezielle Medikamente und ihre Wirkungen, Wissen über Arzneiformen und ihre Anwendung, Umgang mit Betäubungsmitteln und weitere Hinweise.

Nach der kurzen Einführung in die Arzneimitteltherapie werden die Sicherheit, die Applikation bei zahlreichen Beschwerden und Erkrankungen sowie deren Indikationsgründe zu entsprechenden Therapien behandelt. Die Autoren gehen dabei weg von langen Texten hin zu Inhalten, die durch Abbildungen, Schaubilder und Tabellen vermittelt werden. 

Das Thema ist hoch aktuell und braucht im Alltag solche Fachliteratur. Das Buch ist übersichtlich, gut verständlich und gibt wertvolle Hinweise. 

Medikationsfehler in großem Umfang werden nach Hinweisen der Weltgesundheitsorganisation, dem Bundesministerium für Gesundheit / Aktionsplan Arzneimitteltherapiesicherheit* und vom Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) von allen Beteiligten im Prozess verursacht. Die Pflegeprofession hat dabei eine große Verantwortung, denn sie verbringt die meiste Zeit direkt bei der Klientel, ist u. a. mit zuständig für Überwachung und Wahrnehmung von Nebenwirkungen. Zudem ist die Personalsituation in der Akut- und Langzeitpflege wie auch im ambulanten Setting angespannt. Das APS geht davon aus, dass immer noch ca. 6,5 % der Fälle in Deutschlands Notaufnahmen aufgrund ursächlicher Medikationsfehler behandelt werden müssen. 

Die erforderliche Sicherheit, angefangen von der Indikationsstellung über alle Schritte bis zur Ergebnisbewertung und die z. T. noch fehlende Nutzung digitaler Möglichkeiten sowie das Erfordernis interprofessioneller patientenzentrierter Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe sollte aus Sicht der Rezensentin in der 2. Auflage unbedingt noch ausgebaut werden. 

Eine Rezension von Hedwig François-Kettner

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Praxisbuch Pflege und Psychopharmaka

Praxisbuch Pflege und PsychopharmakaHilde Schädle-Deininger, Christoph Müller (Hrsg.)

Hogrefe Verlag, Göttingen, 2023, 248 Seiten, 32,95 €, ISBN 978-3-456-86164-7

 

Als wichtiger Baustein in der Behandlung von psychischen Erkrankungen spielen Psychopharmaka heute eine – wenn nicht gar die – entscheidende Rolle. Nach mehr als zweihundert Jahren Psychotherapie sind seit Mitte des letzten Jahrhunderts Psychopharmaka aus der Therapie nicht mehr wegzudenken und in der modernen Medizin die am häufigsten verordneten Medikamente. Die positive Wirkung, die zumeist auch Basis für eine psychotherapeutische Behandlung im Alltag ist, wird begleitet von kritischen Debatten. Vor allem die Frage der Gesundheitsgefährdung durch Neben- und Wechselwirkungen sowie der Machtmissbrauch, der mit der Gabe von Psychopharmaka einhergeht, wird negativ beleuchtet. 

Das „Praxisbuch Pflege und Psychopharmaka“ widmet sich umfassend diesem Thema. Es ist als Herausgeberwerk unter der Leitung von Hilde Schädle-Deininger und Christoph Müller im Hogrefe Verlag Göttingen in der 1. Auflage 2023 erschienen.

Diese Seiten wollen vor allem eins zeigen: Die psychiatrische Versorgung und damit auch die psychopharmakologische Behandlung kann nur trialogisch funktionieren mit Betroffenen, Angehörigen und psychiatrisch Tätigen. Dies zeigt sich vor allem auch in der Breite der Autorenschaft. Hilde Schädle-Deininger ist Dipl.-Pflegewirtin, Fachkrankenschwester für Psychiatrische Pflege und Dozentin für Pflegeberufe. Sie erhielt 2016 als erste Preisträgerin den „Psychiatrischen Pflegepreis“, ist Trägerin des Verdienstkreuzes 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland und gilt als Pionierin im Bereich der Sozialpsychiatrie und der psychiatrischen Pflege. Christoph Müller ist neben seiner Tätigkeit als Psychiatriepfleger Redakteur der Fachzeitschrift „Psychiatrische Pflege“ und Herausgeber des „Pflege-Cafés“ im Magazin „Pflege Professionell“. Vor- und Nachwort sind verfasst von Dr. Markus Watzmann, Professor der Studiengänge „Mental Health“ und „Advanced Practice Nursing“ an der Hochschule München. Als weitere Autoren finden neben professionell Tätigen auch Betroffene, Angehörige und andere am Psychiatrie-Komplex beteiligte Menschen Gehör. 

Der Inhalt des Buches ist ausführlich und differenziert zusammengestellt und kann sowohl als Gesamtwerk genutzt, als auch in einzelnen Aspekten zur Lektüre herangezogen werden. Einerseits vermittelt es Wissen und Knowhow in verschiedensten Bereichen der Psychopharmakotherapie, andererseits beleuchtet es ethische Fragen, Haltung und Beziehungsgestaltung, multiprofessionelles Team und Behandlungskontext sowie Erfahrungen und Reflexion. 

Zunächst beginnt das Buch mit allgemeinen Inhalten zur medikamentösen Behandlung mit Psychopharmaka, definiert und differenziert Psychopharmaka, thematisiert sowohl positive als auch negative Auswirkungen, hebt ethische Aspekte hervor und wirft einen Blick in andere Länder und deren Umgang sowie Behandlung mit Psychopharmaka. 

Wie wichtig der trialogische Prozess ist, wird auf den folgenden Seiten deutlich. Es kommen Betroffene und Angehörige zu Wort, die auf unterschiedlichste Vor- und Nachteile eingehen. In einem weiteren Kapitel werden Kooperation und Krankheitseinsicht thematisiert und durchaus kritisch betrachtet, dazu die Möglichkeiten und positiven Effekte von multiprofessionellen Teams beleuchtet und die rechtlichen Aspekte der Abgabe von Psychopharmaka erläutert. Weiterhin wird die medikamentöse Therapie und deren Besonderheiten in unterschiedlichsten Lebensphasen diskutiert – von Kindern und Jugendlichen über Erwachsene bis hin zu älteren Menschen, ebenso wie die Behandlung in unterschiedlichen Settings (ambulant, teil-, stationär, komplementär). Abschließend wird noch ein Blick auf einzelne psychiatrie-charakteristische Kontexte wie Recovery, Resilienz und Empowerment geworfen. Es gibt eine Einführung ins Gezeitenmodell von Barker im Hinblick auf Reduktion und Absetzen von Medikamenten. Und zudem eine aus trialogischen Blickwinkeln zusammengefasste Darstellung von verschiedensten Nebenwirkungen. 

Diese kurze Zusammenfassung des Praxisbuches zeigt deutlich die Breite der Themen. Es geht dabei um viel mehr als nur um Psychopharmaka, es geht um eine Haltung – es unterstreicht die Bedeutung von psychiatrisch tätigem Pflegepersonal im Behandlungsprozess. Aus Sicht des Rezensenten ist das Buch deshalb besonders wertvoll, da diese Themen zwar während des Studiums behandelt wurden, in der Praxis jedoch weniger. Dabei ist das Buch inhaltlich weit gefasst und es werden viele Aspekte im Zusammenhang mit Pflegepersonal und Psychopharmaka beleuchtet. Eine Vielzahl an Beispielen vervollständigt die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema. 

Das vorgestellte Ziel der Publikation ist erreicht. Es zeichnet sich durch Übersichtlichkeit aus, ist nachvollziehbar und hat einen guten Plot. Das behandelte Thema ist mehr als aktuell. Psychiatrische Behandlung befindet sich im steten Wandel und muss dies auch. Vermittelt wird hier ein moderner trialogischer Ansatz, der sehr zeitgemäß ist. Allerdings ist der Titel ein wenig irreführend und wird dem Buch nicht gerecht, da das behandelte Thema sehr umfassend beleuchtet wird. 

Als Adressaten sollen psychiatrisch Tätige angesprochen werden, um sich ihrer Rolle bewusst zu werden. In der Behandlung mit Psychopharmaka gibt es noch viele Unklarheiten, auch über Wirkspektren. Häufig gehen die Behandlungen mit einer Vielzahl von Nebenwirkungen einher, die den Benefit für die Betroffenen im Vergleich eher geringhalten. Gerade deshalb müssen sich alle am Pflegeprozess Beteiligten und im Besonderen Pflegekräfte mit einer hohen Sensibilität ihrer Rolle bewusst sein. 

„Es geht nicht um schwarz-weiß, um gut und schlecht, um pro und contra. Aufgabe aller Beteiligten ist es, individuelle Lösungen zu erarbeiten, was in der jeweiligen Situation des Patienten hilfreich sein könnte und welcher Weg gemeinsam beschritten werden kann.“ (Hilde Schädle-Deininger; Interview mit Thomas Hax-Schoppenhorst im Magazin „Pflege Professionell“; Feb. 2023)

Eine Rezension von Ronny Hehr

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