Pflegekräfte sowie Ärztinnen und Ärzte verbringen täglich im Durchschnitt drei Stunden mit Dokumentationsaufgaben, die oft keinen direkten Nutzen für die Patientenbehandlung haben. Eine Reduzierung dieser bürokratischen Tätigkeiten um lediglich eine Stunde pro Tag könnte rechnerisch etwa 21.600 Vollzeitkräfte im ärztlichen Bereich und rund 47.000 Vollzeitkräfte im Pflegedienst freisetzen. Dies belegt eine aktuelle Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) zur Bürokratiebelastung in deutschen Allgemeinkrankenhäusern und Psychiatrien, die im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) durchgeführt wurde.
„Die Zahlen sind erschütternd. Drei Stunden pro Tag entsprechen 116.600 von knapp 343.000 Vollkräften (34 %) im Pflegedienst von Allgemeinkrankenhäusern und 59.500 von gut 165.200 ärztlichen Vollkräften bundesweit (36 %). Diese Fachkräfte stehen in der Zeit, in der sie die ausufernden Bürokratiepflichten erfüllen müssen, nicht der Patientenversorgung zu Verfügung. Die Dokumentation hat sich über viele Jahre von einer notwendigen Nebentätigkeit zu einer extremen Last entwickelt. Das Problem von medizinisch und pflegerisch viel zu oft nicht notwendiger Schreibarbeit ist völlig außer Kontrolle geraten. Dass Pflegekräfte und Ärztinnen und Ärzte ein Drittel ihrer Arbeitszeit für Bürokratie einsetzen müssen, ist schlicht inakzeptabel. Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in Pflege und Medizin können wir uns diese Verschwendung wertvollster und hochqualifizierter Arbeitskraft nicht mehr leisten. Die immense Menge an Dokumentationsarbeit zeigt aber auch, dass das Fachkräfteproblem durch konsequente Entbürokratisierung deutlich verringert, wenn nicht sogar gelöst werden könnte. Weniger Bürokratie hieße, dass sich die Beschäftigten mehr um die Patientinnen und Patienten kümmern könnten, die Arbeitsbelastung würde sinken und die Attraktivität der Arbeit aus Sicht der Fachkräfte deutlich steigen. Es verwundert, dass Gesundheitsminister Lauterbach das Bürokratie-Problem noch immer nicht angegangen ist. Im Gegenteil, seine Gesetzentwürfe führen zu noch mehr Bürokratie im Krankenhaus. Während andere Ressortchefinnen und -chefs dem Justizministerium Vorschläge zur Entbürokratisierung eingereicht haben, kam aus dem Gesundheitsministerium bisher nichts Substanzielles. Dabei behindert und lähmt die Bürokratie im Gesundheitssystem genauso wie in allen anderen Bereichen. Und mit Blick auf die Pläne zur Krankenhausreform ist zu befürchten, dass die Bürokratielast für die Beschäftigen sogar weiter steigt“, erklärt Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG.
Die übermäßige Bürokratie in Krankenhäusern beeinträchtigt nicht nur die Effizienz, sondern auch die Motivation der Mitarbeitenden erheblich. Nahezu 100 Prozent der Beschäftigten in Allgemeinkrankenhäusern äußern regelmäßig oder häufig Kritik am hohen Dokumentationsaufwand – 77 Prozent tun dies sehr oft, 22 Prozent oft. Diese Bürokratiebelastung könnte dazu führen, dass sich weniger Fachkräfte für eine Tätigkeit in Kliniken bewerben. Das Problem betrifft nicht nur Allgemeinkrankenhäuser, sondern ebenso in nahezu gleichem Umfang auch die Psychiatrien.
Ähnliche Resultate ergaben jüngste Umfragen der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz, deren Vizepräsidentin Andrea Bergsträßer erläutert dazu: „Die unnötige Bürokratie führt nicht nur zu einem enormen Motivationsproblem, sondern lässt auch einen Teil der Pflegenden ernsthaft über einen Ausstieg aus dem Beruf nachdenken. In einer Zeit des Fachkräftemangels darf der Verwaltungsaufwand nicht die Lust auf die eigentliche Profession verderben.“
„Der dringend notwendige Bürokratieabbau erfordert vor allem deutlich mehr Vertrauen zwischen den Leistungserbringern und den Kostenträgern. Ständige Prüfungen und Kontrollen zu Qualitätssicherungsrichtlinien, Strukturvorgaben sowie Einzelfällen führen dazu, dass man eine Vielzahl von Daten erhebt und dokumentieren lässt, die mit der direkten Patientenversorgung nicht in Verbindung stehen und keinerlei Auswirkung auf den Behandlungserfolg haben. Die Mitarbeiter belastet dies nicht nur, es frustriert und demotiviert auch in hohem Maße. Der Gesetzgeber muss die Vorgaben auch auf negative Folgen für die Klinik-Beschäftigten überprüfen. Ein Beispiel ist die Richtlinie zur minimalinvasiven Herzklappeninterventionen, die fordert, dass in jeder Schicht mindestens eine Pflegekraft mit Fachweiterbildung in Intensivpflege/Anästhesie eingesetzt ist. Unter dem ohnehin bestehenden Fachkräftemangel belastet das die Kolleginnen und Kollegen noch einmal zusätzlich und schränkt sie z. B. bei der Dienst- und Urlaubsplanung spürbar ein. In der Folge sinkt die Bereitschaft, sich überhaupt in diese Fachrichtung weiterbilden zu lassen, oder die Kolleginnen und Kollegen wandern in die Zeitarbeit ab. Hier und in vielen anderen Bereichen besteht dringender Handlungsbedarf“, erklärt der Pflegerische Bereichsleiter für Anästhesie und Intensivmedizin des Waldkrankenhauses Berlin-Spandau, Denny Götze.
„Die Verantwortlichen in den Krankenhäusern haben konkrete Vorschläge zur Entbürokratisierung formuliert. Wir haben fünf übergeordnete Kernanliegen. Die Nachweispflichten müssen grundlegend reduziert werden. Die Gesetzgebung muss sich einer realistischen Bürokratiefolgenabschätzung unterziehen. Wir brauchen zudem ausreichende Umsetzungsfristen, Normgebung und Normumsetzung müssen klar getrennt werden. Nicht zuletzt müssen wir die Digitalisierung vorantreiben, denn sie kann ein zentraler Punkt sein, um Bürokratielasten zu vermindern“, sagt Prof. Dr. Henriette Neumeyer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der DKG.
„Wir haben der Politik 55 ganz konkrete Vorschläge zum Abbau von Bürokratie unterbreitet. Bei den Prüfungen des Medizinischen Dienstes überschneiden sich immer wieder Strukturprüfung und Qualitätskontrolle. Alleine bei der Strukturprüfung umfasst die Richtlinie der Prüfversion des medizinischen Dienstes 497 Seiten, der Begutachtungsleitfaden zu der Richtlinie noch einmal 90 Seiten. Solche Prüfungen müssen vereinfacht und ihre Gültigkeit verlängert werden. Ein anderes klassisches Beispiel sind die Verfahren zu neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) und dass von allen Häusern einzeln. Jahr für Jahr müssen immer wieder die gleichen Anträge gestellt werden. Diese immer wiederkehrenden völlig überflüssigen Antragspflichten müssen abgeschafft und die Anträge vereinfacht werden,“ so Neumeyer.
Blitzumfrage ansehen: https://www.dkgev.de/fileadmin/default/Mediapool/1_DKG/1.7_Presse/1.7.1_Pressemitteilungen/2024/2024-08-07_Anlage_Blitzumfrage_-_Aktuelle_Buerokratiebelastung.pdf
Zur Pressemitteilung: https://www.dkgev.de/dkg/presse/details/drei-verlorene-stunden-fuer-die-patientenversorgung-buerokratie-frisst-zeit-und-verschaerft-das-fachkraefteproblem/
Foto: stock.adobe.com – smolaw11
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