Caritas Österreich zum Tag der Pflege: Fünf Punkte für ein Pflegesystem mit Zukunft

fünf punkte pflegereform österreichLandau: „Pflegereform 2022 war ein wichtiger erster Schritt. Um die Pflegezukunftsfit zu machen und Versorgungssicherheit zu gewährleisten, braucht es aber dringend weitere.“

Zum Tag der Pflege am 12. Mai 2023 zieht Michael Landau, Präsident der Caritas Österreich eine Zwischenbilanz zur Situation in der Pflege und Betreuung in Österreich: „Ausgangspunkt jeder sinnvollen Pflegereform muss die Wirklichkeit der betroffenen Menschen sein. Die Wirklichkeit jener, die Pflege und Betreuung brauchen sowie ihrer Angehörigen und die Wirklichkeit jener, die Pflege und Betreuung leisten. Und da ist der Befund: Viele der gesetzten Maßnahmen wirken, einige lassen nach wie vor auf die versprochene Wirkung warten, andere erscheinen rückblickend eher medienwirksam als systemverändernd. Klar ist: Diese Pflegereform wird uns nicht aus jener Krise leiten, in die wir immer weiter schlittern. Es bedarf einer Systemreform, die die Pflegelandschaft maßgeblich weiterentwickelt und in die Tiefe geht: Wir brauchen ein System, das langfristig Versorgungssicherheit gewährleistet und ein System, in dem sich Menschen gut betreut fühlen und gleichzeitig gerne arbeiten.“  
Die Mitarbeiter*innen in Pflege und Betreuung sind der Schlüssel, um die Pflegekrise nachhaltig zu lösen, so Landau: „Wenngleich heute so viele Menschen wie noch nie zuvor im Pflege- und Sozialbereich beschäftig sind, sind es immer noch deutlich zu wenige. Zentrales Ziel muss daher sein, möglichst viele Menschen für Pflege und Betreuung zu gewinnen, langfristig zu halten und die pflegenden Angehörigen zu entlasten. Nur so können wir die Pflegekrise hinter uns lassen und ein selbstbestimmtes Leben für jene ermöglichen, die auf Pflege und Betreuung angewiesen sind.“  

Insgesamt verweist Landau auf fünf Prioritäten, die im Zentrum einer notwendigen weiteren Reform stehen sollten: 

1.    Harmonisierung des Gesamtsystems und langfristige finanzielle Absicherung
Der aktuelle „Fleckerlteppich“ in der Pflege – sowohl was Angebot und Verfügbarkeit sowie Kosten, als auch Personalschlüssel und Arbeitsbedingungen betrifft – muss durch österreichweit einheitliche Standards und einen Ausbau von Dienstleistungen ersetzt werden, so Landau: „Der Weg aus der Krise wird an einem massiven Ausbau – und hier vor allem der mobilen Pflege – nicht vorbeiführen. Zudem müssen wir zu einheitlichen Qualitäts-, Versorgungs- und Finanzierungsschlüsseln vom Bodensee bis zum Neusiedlersee kommen. Der Pflegefonds könnte hier zu einem wichtigen Steuerungsinstrument werden. Bund und Länder müssen zusammenarbeiten – die Finanzausgleichsverhandlungen dürfen nicht auf dem Rücken der betroffenen Menschen geführt werden!“ Landau erinnert hier auch an die im Regierungsprogramm genannte „Prüfung der Nutzung des bestehenden e-Card-Systems für Pflegeleistungen“: „Es wäre durchaus sinnvoll, Leistungen in der Pflege und Betreuung im Sinne einer Vereinheitlichung wie auch Vereinfachung künftig über die e-Card abzurechnen.“   

2.    Echte Personalorientierung anstatt „Zuckerln“
Um Versorgungssicherheit gewährleisten zu können, ist es notwendig, die Bedürfnisse der im Pflege- und Betreuungssystem arbeitenden Menschen ernst zu nehmen, so Landau: „Ziel muss sein, Rahmenbedingungen zu schaffen, zu welchen Menschen gerne arbeiten. Finanzielle Honorierung ist ein Teil dieser Personalorientierung. Klarerweise braucht es auch nach 2023 – der Gehaltsbonus ist auf nur zwei Jahre befristet – höhere Gehälter, von denen alle Berufsgruppen profitieren.“ Zudem muss auch Mehrarbeit honoriert werden sowie spezielle Expertise und Zusatzaufgaben. Außerdem braucht es neue Modelle der Personal- und Einsatzplanung, die Dienstplansicherheit einerseits und ausreichend Flexibilität andererseits bringen, betont Landau: „Starre Dienststrukturen und Arbeitszeiten müssen hinsichtlich einer guten Vereinbarung mit dem Familien- bzw. Privatleben überdacht werden.“  
Außerdem müssen Rekrutierungsprozesse von Pflegepersonen aus anderen Ländern fair, belgeitet und qualitätsgesichert sein, so Landau: „Es wird notwendig sein, Österreich auch verstärkt für Fachkräfte aus anderen Ländern attraktiv zu machen. Dafür sollten zunächst bereits bestehende Instrumente wie die Rot-Weiß-Rot-Karte weiter verbessert und bürokratische Hürden betreffend Aufenthaltsbewilligungen und Nostrifikationen weiter abgebaut werden. Mittelfristig braucht es eine österreichweite Strategie für die Rekrutierung geeigneter Fachkräfte aus dem Ausland - anstatt unkoordinierter Aktivitäten einzelner Bundesländer.“  

3.    Evaluierung und Ausbau der Ausbildungsoffensive
Kürzlich hat Landau im Rahmen einer Pressekonferenz umgesetzte Maßnahmen wie die Übernahme der Ausbildungskosten, den Ausbildungsbonus und das Pflegestipendium für Umsteiger*innen gelobt. Gleichzeitig sieht die Caritas, die österreichweit Schulen für Sozial- und Gesundheitsberufe betreibt, aber in der Praxis, dass vieles offen ist, so Landau: „Auch hier ist die längerfristige Finanzierung der umgesetzten Maßnahmen sowie die Schaffung einheitlicher Strukturen in der Praxisanleitung völlig offen. Wir sehen Mängel in der Rekrutierung von Lehrpersonen, die aber notwendig ist, um eine optimale Begleitung zu sichern – etwa für jene, die eine Pflegelehre absolvieren möchten.“ Landau schlägt etwa die  öffentliche Finanzierung der Lehrer*innenausbildung  für Pflege- bzw. Sozialbetreuung vor,  denn „die momentan angebotenen Masterstudiengänge für Pflegepädagogik sind mit hohen Kosten von 2.000 bis 3.000 Euro pro Semester verbunden und damit nicht attraktiv, um eine Höherqualifizierung in der Pflege anzustreben.“  

4.    Ressourcen für digital-soziale Innovation
Um den Pflegebereich zukunftsfit zu machen, fordert die Caritas die Etablierung eines Digitalisierungsfonds zur Förderung von digitalen Innovationen. Landau: „Digitale Innovation braucht es zum einen, um die Betreuung von zu Pflegenden sowie ihrer Angehörigen zu verbessern. Im Bereich Telepflege gibt es bereits sehr gute praktische Erfahrungen und Werkzeuge, die sich bewährt haben. Mit einer vermehrten Nutzung von Tools wie Videotelefonie könnten Angehörige unterstützt und sozialer Isolation entgegengewirkt werden. Was fehlt, ist die geeignete technische Infrastruktur, die Schulung von Mitarbeiter*innen, Bewohner*innen bzw. Klient*innen sowie auch hier - eine geregelte, langfristige Finanzierung.“ Andererseits streicht Landau hervor, dass digitale Innovation auch vermehrt dafür genutzt werden sollte, um die Herausforderungen im Personalbereich zu lösen: „Da geht es etwa um die Erleichterung bei akuten Dienstsuchen.“  

5.    Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements
Nicht zuletzt betont Landau die Wichtigkeit, neben dem Ausbau professioneller Angebote auch zivilgesellschaftliches Engagement zu fördern, „weil auch das die betreuenden und pflegenden Angehörigen – immerhin der größte Pflegedienst Österreichs – massiv entlasten kann.“ Als Beispiele nennt Landau Demenzcafés, Demenz-Buddies oder auch Regionale Demenznetzwerke. „Kaum eine andere Krankheit ist für Angehörige so belastend, wie eine demenzielle Erkrankung. Informelle Netzwerke auszubauen und ergänzende Angebote zu stärken, ist für die Entlastung aller Beteiligten wesentlich.“  

Abschließend sagt Landau: „Die österreichische Pflege und Betreuung ist ein komplexes System. Was dieses derzeit am Laufen hält, sind die Menschen. Die pflegenden Angehörigen, die ihre Liebsten zu Hause betreuen und ein würdevolles Altern in vertrauter Umgebung ermöglichen. Es sind Pflege- und Betreuungspersonen, die sich unter schwierigsten Bedingungen den Bedürfnissen anderer widmen. Es sind die unzähligen Freiwilligen, die sich ehrenamtlich der Lebensqualität anderer widmen.“ All diese Menschen ringen um eine qualitätsvolle Pflege und Betreuung der Menschen in ihrem Umfeld, so Landau: „Da gilt es gerade zum Tag der Pflege Danke zu sagen. Aber nicht nur. Neben der Wertschätzung braucht es nachhaltige Maßnahmen hin zu einem Pflegesystem, das Versorgungssicherheit auch über 2030 hinaus garantiert.“ 


Zur Pressemitteilung: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230511_OTS0028/caritas-zum-tag-der-pflege-fuenf-punkte-fuer-ein-pflegesystem-mit-zukunft

Foto: dizain – stock.adobe.com

 

 

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