von Dorothee Bürgi, Andrea Ott Wabel, Patrik Honegger
Facultas, Wien, 2024, 156 Seiten, 24,20 €, ISBN 978-3-7089-2435-9
„Existential Nursing“ ist ein Ansatz in der Pflegepraxis, der sich auf die Anerkennung und Berücksichtigung der existenziellen Bedürfnisse und Fragen von Patient:innen konzentriert. Dieser ist darauf ausgerichtet, die individuelle Würde, den Sinn und die Lebensqualität der Patient:innen zu fördern.
Der Philosoph Martin Heidegger prägte das Konzept der „Sorge“ (Sorge für das Sein) als eine grundlegende Existenzialie. „Existential Nursing“ überträgt dieses Konzept auf die Pflege, indem es die Bedeutung der fürsorglichen Beziehung zwischen Pflegenden und Patient:innen hervorhebt und aufzeigt, wie diese Sorge zur Bewältigung existenzieller Herausforderungen beiträgt. Im Buch finden sich zudem Bezüge zur Humanistischen Psychologie, zur Phänomenologie sowie zur Bedeutung der individuellen Lebenswelt und Lebenserfahrung jeder Patientin bzw. jedes Patienten.
Die Autor: innen haben das Buch aus eigner Motivation heraus verfasst, um ihrem Bedürfnis nach der Beschreibung der Sinnfragen – dem Kern von beruflicher Pflege – nachzugehen.
Dorothee Bürgi, PhD, studierte Psychologie mit Schwerpunkt Arbeits- und Organisationspsychologie an der Hochschule für Angewandte Psychologie in Zürich und promovierte in Kulturmanagement an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien. Andrea Ott Wabe (Pflegefachfrau FH, Bachelor in Nursing Science) arbeitet seit dreißig Jahren in führenden Positionen in der Akut-, Langzeit- und spezialisierten Palliativpflege. Sie konzipierte eine berufsbegleitende Ausbildung für Pflegefachpersonen mit und absolvierte zahlreiche Weiterbildungen, u. a. zur eidg. dipl. Erwachsenenbildnerin. Patrik Honegger ist Leiter Pflege im Institut für Notfallmedizin des Universitätsspitals Zürich und Mitglied der Institutsleitung. Nach seiner Ausbildung zum dipl. Pflegefachmann absolvierte er unter anderem folgende Studiengänge: „Master of Advanced Studies in Adult and Professional Education“, „Dipl. Erwachsenenbildner“, „Dipl. Rettungssanitäter“.
Das handliche Buch ist in drei Teile gegliedert. Nach der Einleitung und Beschreibung der leitenden Motivation werden die Lesenden in die drei zentralen Ansätze eingeführt (integrativer, authentischer und wissenschaftlicher Ansatz).
Zu Beginn geht es um den Zusammenhang zwischen Existenz und Pflege, um die vier existentiellen Dimensionen der Pflege und die dazugehörigen Themen. Die Aufgaben und Gestaltungspotenziale der Pflegenden werden anhand von Praxissituationen illustriert und als Anregung zum Dialog durch Reflexionsfragen erweitert.
Im zweiten Teil liegt der Fokus auf den Pflegenden in ihren eigenen existenziellen Bezügen.
Beruflich Pflegende haben enge Beziehungen zu ihrer eigenen Existenz, da ihr Beruf oft mit tiefgreifenden existenziellen Fragen und Erfahrungen verbunden ist. Diese Bezüge können sich auf verschiedene Aspekte ihrer Existenz beziehen, beispielsweise auf die berufliche Identität, persönliche Werte und Überzeugungen, Entwicklungen, existenzielle Herausforderungen und die grundlegende Frage nach dem Sinn und der Bedeutung ihrer Tätigkeit.
Diese Bezüge können dazu beitragen, ihr Leben zu bereichern und ihre Arbeit als sinnvoll und erfüllend zu empfinden, aber sie sind auch anspruchsvoll. Dazu bietet dieser Abschnitt eine Auseinandersetzung mit Selbstfürsorge, den Umgang mit Frustration und Anleitungen für Reflexionsangebote.
Mit der Betrachtung der theoretischen Grundlagen von „Existential Nursing“ im dritten Kapitel wollen die Autor:innen die enge Verbindung von Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften aufzeigen. Zusammengefasst beruhen diese auf einer ganzheitlichen Betrachtung der menschlichen Existenz, die sowohl physische, psychische, soziale als auch spirituelle Aspekte umfasst. Durch die Integration existenzieller Fragen und Prinzipien in die Pflegepraxis strebt „Existential Nursing“ danach, eine tiefgreifende und bedeutsame Betreuung der Patient:innen zu gewährleisten.
Eindrücklich sind die Interviews, die mit drei Personen geführt wurden, welche eigene Gedanken und Betrachtungen teilen. Settimio Monteverde plädiert für eine „sehende“ Pflege, die sich des Impacts auf das Leben der Menschen bewusst ist, um die es geht. Esther Matolycz setzt sich für eine Bildung mit Lebenspraxis ein. Zukünftige Pflegende sollten in ihrer Ausbildung auch Persönlichkeitsbildung erleben. Pflege und Spiritualität sind für Eckhard Frick wesentliche Elemente der Berufsausübung und spiegeln sich insbesondere in der Beziehung und Bindung zwischen Patient:innen und Pflegenden wieder.
Das Buch richtet sich an Pflegende und möchte zum einen einladen, sich damit auseinanderzusetzen, was in der Pflege im jeweiligen Kontext existenziell bedeutsam ist. Es möchte aber auch für die Praxis wirksam sein, indem es viele kluge Fragen stellt und Anleitungen für Reflexionen und Diskussionen bietet.
Es ist flüssig und klar verständlich geschrieben, bebildert, inhaltlich reichhaltig und trotzdem nicht überfrachtet. Damit wird es auch für Laien und Interessierte zu einer guten Möglichkeit, das Wesen und Selbstverständnis von Pflegenden zu begreifen.
Eine Rezension von Michaela Key
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