Gewaltprävention in der Altenpflege: Interventionen und Konzepte

gewaltprävention in der altenpflege interventionen konzepteAnna Dammermann, Marco Sander

Kohlhammer (2023), 1. Auflage, 154 Seiten, ISBN 978-3-17-042421-0, 34,00 €

 

Wertvoller Begleiter bei der Gewaltprävention in der Altenpflege

„Pfleger soll mehrere Demenzkranke missbraucht haben“, „Tatort Pflegeheim: Bremer Pflegehelfer steht unter mehrfachem Mordverdacht“, „Mann (41) schlägt mehrfach auf Pflegerin ein“ – das sind nur einige Schlagzeilen der vergangenen Monate. Sie zeigen: Gewalt in der Altenpflege kommt vor und trifft pflegebedürftige Menschen wie Pflegepersonal gleichermaßen. Während in den Medien vor allem die Extreme – Körperverletzungen, Missbrauch, Tötungen – aufgegriffen werden, läuft Gewalt im Alltag oft subtiler ab. Menschen werden zum Beispiel vernachlässigt, gedemütigt, in ihrer Selbstbestimmung eingeschränkt oder finanziell ausgenutzt. Nicht immer ist Gewalt absichtlich, mitunter wird sie auch indirekt durch starre Strukturen begünstigt. Eine Studie des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung e.V. (DIP) aus 2017 bestätigt, dass Gewalt gegenüber Pflegebedürftigen, aber auch Pflegenden alltäglich stattfindet.

Umso wichtiger ist es, das Thema aus der Tabuzone zu holen und Konzepte zur Prävention umzusetzen. Genau hier setzt das Buch „Gewaltprävention in der Altenpflege“ an. Anna Dammermann und Marco Sander zeigen praxisnah, wie Gewaltvorfälle minimiert und auslösende Faktoren erkannt und vermieden werden können. Dabei liefert das Buch bewusst keinen standardisierten Maßnahmenplan, sondern zeigt Schritt für Schritt auf, wie Gewaltprävention als eigenständiges Projekt umgesetzt werden kann. Grundlage ist dabei das Gewaltpräventionsprojekt PEKo, an dem vier deutsche Hochschulen und Universitäten aktiv mitwirken. Das Kernstück von PEKo ist der partizipative Ansatz, also die Beteiligung aller Kolleginnen und Kollegen im gesamten Projektverlauf.

Das praktische Handbuch ist mit 154 Seiten sehr übersichtlich und klar gegliedert. Es bietet zunächst Hintergrundinformationen zum Thema Gewalt, gefolgt von wichtigen Projekthinweisen und Möglichkeiten der Evaluation. Danach folgt der praktische Teil mit fünf Modulen zur Umsetzung eines Gewaltpräventionsprojekts: 1. Sensibilisierung und Information, 2. Kommunikation und Teamzusammenarbeit, 3. Selbstreflexion und Person-zentrierte Pflege, 4. Handlungssicherheit und 5. Nachhaltigkeit und Qualitätssicherung. Im nächsten Kapitel folgen Arbeitshilfen zu diesen fünf Modulen. Für das Modul 1 ist hier zum Beispiel beschrieben, wie ein Teamtreffen ablaufen kann, um einen gemeinsamen Gewaltbegriff zu etablieren, es gibt Anregungen zu Plakaten und Broschüren zum Thema Gewaltprävention und es sind Beispiele aufgeführt, wie Kurzinformationen zu bestimmten Erkrankungen, bei denen Gewalt eine Rolle spielt, erarbeitet und umgesetzt werden können.

Sehr hilfreich für die Leserinnen und Leser ist die gleichbleibende Struktur bei der Planung der einzelnen Interventionen: Kurzbeschreibung, Was soll die Intervention bewirken? An wen richtet sich die Intervention? Wer ist wofür zuständig? Was ist zu planen? Welche Ressourcen sind notwendig? Etc. Hier sind alle Fragen abgehandelt, die für die Umsetzung der Interventionen wichtig sind. Besonders hilfreich sind die zahlreichen Fallbeispiele. Diese zeigen zum Beispiel, wie Angehörige sowie Bewohnerinnen und Bewohner auf ein Gewaltpräventionsprojekt reagieren und wie man sie sinnvoll integrieren kann. Bei vielen Interventionen ist zudem in wenigen Sätzen aufgeführt, welche positiven, aber auch negativen Erfahrungen andere PEKo-Einrichtungen damit gemacht haben. 

Alles in allem ist das Buch von Anna Dammermann und Marco Sander ein sehr zu empfehlender Praxisleitfaden zu einem wichtigen Thema. Es ist ein wertvoller Begleiter für alle, die sich der Gewaltprävention in ihrer Einrichtung annehmen möchten. Dabei bietet es erprobte und evidenzbasierte Handlungsansätze, wie so ein Projekt anzugehen ist – und dies nicht auf einer rein theoretischen Ebene, sondern anschaulich, praxisnah und gewürzt mit vielen Beispielen. So kann Projektarbeit Spaß machen! 

Eine Rezension von Brigitte Teigeler