Maria Brauchle, Rolf Dubb, Georg Johannes Roth, Katharina Schmid (Hrsg.)
Kohlhammer, Stuttgart, 2022, 151 Seiten, 29,00 €, ISBN 978-3-17-039278-6
Die Versorgung in den Notaufnahmen der Krankenhäuser ist oftmals von hektischer Betriebsamkeit geprägt: Arbeitsdichte und Patient*innenaufkommen sind in den letzten Jahren vielerorts gewachsen, die Inanspruchnahme der Notaufnahmen – auch bei Bagatellen – ist gestiegen – gleichzeitig fehlt Personal. In diesen Rahmenbedingungen findet die bedarfs- und ressourcenorientierte Versorgung der kleinen und großen Patient*innen statt. Vergessen werden darf hierbei jedoch nicht, dass sich auch die An- bzw. Zugehörigen der Patient*innen informiert und begleitet fühlen möchten – denn auch für diese Personen stellen der Aufenthalt in einer Notaufnahme und die damit verbundenden Emotionen oft eine Ausnahmesituation dar. Der hier rezensierte Sammelband greift das Thema Angehörigenbegleitung in der Notaufnahme auf und ergänzt ihn um Aspekte der Krisenintervention.
Dem internationalen Herausgeber*innen-Team, das sich aus (Fach-)Pflegeexpert*innen, Pädagog*innen und Ärzt*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammensetzt, ist es gelungen, Autor*innen aus den unterschiedlichsten Disziplinen für diesen kurzweiligen Sammelband zu gewinnen. Hierdurch wird eine einzigartige Multiperspektivität erreicht, die bestens dazu geeignet ist, das Thema Angehörigenkommunikation in der Notaufnahme zu beleuchten.
Das abgedeckte Themenspektrum ist dabei sowohl breit als auch detailliert: In insgesamt neun Fachkapiteln werden verschiedenste Aspekte der Kommunikation mit Angehörigen in der Notaufnahme beleuchtet. Neben Grundlagenwissen (wie beispielsweise kommunikativen Theorien) werden situative bzw. settingspezifische Gegebenheiten und Herausforderungen beleuchtet. Hierbei wird immer wieder der Bogen zu Best-Practice-Beispielen gespannt: Konkrete Projekte aus den Notaufnahmen der Kliniken, in denen die Autor*innen beschäftigt sind, werden vorgestellt und laden die Leser*innen zur Umsetzung im eigenen Wirkbereich ein.
Auch das Erleben von und der Umgang mit Gefühlen – sowohl auf Seiten der Angehörigen als auch mit den Emotionen der Gesundheitsprofessionellen selbst – wird umfassend behandelt. In diesem Kontext werden auch die Krisenintervention bzw. die Psychosoziale Notfallversorgung thematisiert. Die Hilfen für Helfende kommen ebenfalls nicht zu kurz. Aus Sicht des Rezensenten sind die Kapitel zur Angehörigenanwesenheit bei kardiopulmonaler Reanimation und zum Sterben in der ZNA besonders lesenswert, liefern sie doch wichtige Impulse und Denkansätze für das eigene Handeln.
Anzumerken ist an dieser Stelle, dass sich manche Themen über die verschiedenen Kapitel doppeln. Dies schadet dem Gesamteindruck jedoch keinesfalls, da sich die oben beschriebenen, unterschiedlichen Perspektiven gut ergänzen. Apropos Perspektiven: Das Buch beinhaltet ein eigenes Kapitel zu den Besonderheiten im Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen als Angehörige – einem in der internationalen Literatur immens vernachlässigten Thema. Ergänzend dazu wäre die Elternperspektive sicher spannend. Vielleicht findet sich ein Beitrag dazu in einer möglichen zweiten Auflage?
Ein besonderes „Schmankerl“ bildet das zehnte Kapitel, das eine Sonderstellung unter den Beiträgen einnimmt und daher auch besondere Erwähnung finden soll: Auf knapp 20 Seiten werden insgesamt 24 Fallbeispiele kurzweilig und ansprechend dargestellt. Einer kurze Einleitung, die einen Überblick über das Geschehen und die Hintergründe, welche zum Aufsuchen der Notaufnahme führten, folgt die Vorstellung der jeweiligen Angehörigen im Wartebereich. Anhand dieser Kurgeschichten erfolgt eine empathische Beschreibung der Sorgen, Nöte und Gefühle der Begleitpersonen. Darauf aufbauend werden leicht verständliche, auf eigene berufliche Situationen der Leser*innen übertragbare Handlungsoptionen erarbeitet.
Insgesamt sieben Abbildungen veranschaulichen zentrale Inhalte und fünf Tabellen fassen umfangreiches Wissen zusammen. Daneben werden zentrale Fakten besonders hervorgehoben – und an einigen Stellen finden sich hilfreiche Verweise auf weiterführende Literatur, die es den Leser*innen erlauben, ausgewählte Themenbereiche zu vertiefen.
Das hier vorgestellte Sammelwerk bietet eine Fülle von Informationen und Hintergrundwissen zur Kommunikation mit Angehörigen und zur Krisenintervention in der Notaufnahme. Es veranschaulicht – nicht zuletzt aufgrund der verschiedenen Perspektiven, die die Autor*innen einbringen – auf ansprechende Weise Grundlagen- und Fachwissen – und bietet darüber hinaus Inspiration, um sich des eigenen Umgangs mit den Begleitpersonen bewusst zu werden. Es richtet sich sowohl an neue als auch an langjährig erfahrene pflegerische, ärztliche und administrativ arbeitenden Kolleg*innen in der Notaufnahme. Kurzum: dieses Buch ist eine Bereicherung für alle, die in einer Notaufnahme arbeiten. Auch für Ausbildung und Lehre ist es zu empfehlen – und wird sicherlich seinen Weg in die Fachweiterbildung Notfallpflege finden.
Eine Rezension von Patrick Ristau