Angehörige in der Palliative Care – Unterstützung, Begleitung und Beratung

angehörige in der palliative careAngelika Feichtner, Bettina Pußwald
Angehörige in der Palliative Care
Unterstützung, Begleitung und Beratung

Facultas, Wien, 2020, 206 Seiten, 24,20 €,  ISBN 978-3-7089-1873-0, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage

Die pflegerische Versorgung von schwerkranken und sterbenden Menschen verlangt nicht nur von den Pflegefachpersonen und weiteren Professionen im Gesundheitswesen spezielle Aufmerksamkeit und Sachverstand, sondern fordert vor allem die An- und Zugehörigen der Betroffenen in besonderem Maße. Als wichtigste Begleiter*innen und engste Vertraute schwerkranker und sterbender Patientinnen und Patienten wollen An- und Zugehörige einen Beitrag in dieser begrenzten gemeinsamen Zeit leisten und aktiv einbezogen werden.

Als Praxisbuch aus der Reihe Pflegepraxis beschäftigt sich dieser Leitfaden mit der Angehörigenarbeit in der Palliativversorgung in Österreich. Angelika Feichtner (MSc, Krankenpflege-Diplom 1975; langjährige Berufspraxis in den Bereichen Allgemeinchirurgie, Dialyse und Intensivpflege) und Bettina Pußwald (MSM, Dipl. Sozialarbeiterin und Vorsitzende der AG Palliativsozialarbeit der Österreichischen Palliativgesellschaft) bringen darin ihre Expertise aus den beiden Berufsfeldern Pflege und Sozialarbeit ein.

Die Pflegenden sollen durch das Buch insbesondere mit den Herausforderungen und Bedarfskonstellationen von Betroffenen und deren An- und Zugehörigen innerhalb der palliativen Betreuungssituation vertraut gemacht werden. Das Praxisbuch sieht sich aber auch als hilfreicher Leitfaden für An- und Zugehörige in dieser leidvollen Phase der häuslichen oder stationären Versorgung.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert: I) Angehörigenarbeit in der Pflege, II) Angehörigenarbeit aus der Sicht der Palliativsozialarbeit und III) Spezielle pflegerische Aspekte.

Im Teil I gehen die Autorinnen nicht nur auf die Situation der pflegenden An- und Zugehörigen als größte Stütze in der Pflegeübernahme von palliativen Patientinnen und Patienten ein, sondern bringen explizit bindungstheoretische Grundlagen von Bowlby und Ainsworth ein, um u.a. das Verhalten im Familiensystem als zentralen Bezugspunkt zu erklären. Dabei geben sie sowohl der Theorie des systemischen Gleichgewichts (Friedemann & Köhlen) als auch Aspekten wie Rollenerwartungen, Bedürfnissen und Gründen für die Pflegeübernahme im häuslichen und stationären Setting Raum. Als zentrale Interventionen werden in diesem Zusammenhang das Familiengespräch sowie das NURSE-Modell in den Blick genommen.

Im Teil II liegt der Schwerpunkt auf der Sozialarbeit als unterstützende Profession bei der Lebens- und Alltagsbewältigung – wobei psychosoziale Probleme bzw. kritische Lebenssituationen, wie Sie in der palliativen Betreuung auftreten, erkannt und gedeutet werden können. In Bezug auf die psychosoziale Anamnese stellen die Autorinnen die Arbeit mit dem Genogramm vor. Als große Herausforderung wird die Vermittlung zwischen Patienten- und Angehörigeninteressen beschrieben. Im Anschluss daran geben die Autorinnen eine Übersicht zu entlastenden Faktoren und leistungsrechtlichen Bezügen. Auf Ansätze wie die Familienmoderation (Tolsdorf) oder (breiter) das Case-Management bzw. die Patientenedukation – wie Büker (2015) in ihrem Buch „Pflegende Angehörige stärken“ beschreibt – gehen sie nicht näher ein.

Der Teil III beschäftigt sich schließlich mit speziellen pflegerischen Fakten. So wird gezielt auf die Unterstützung von Angehörigen im Sterbeprozess eingegangen und es werden relevante Inhalte zum gesamten Sterbeprozess – von der (Prä-)Finalphase bis hin zur Pflege des Verstorbenen und zum Abschied nehmen – vorgestellt. Die Autorinnen nehmen sowohl Bezug auf konkrete Aspekte wie z. B. die Ernährung in der Sterbephase – als auch auf spezielle Zielgruppen – wie z. B. das Engagement von Kindern in der palliativen Pflege.

Insgesamt handelt es sich um eine Publikation mit fachlich relevanten und fundierten Informationen zur Angehörigen- und Sozialarbeit in der Palliative Care. Der Inhalt ist für Laien ebenso verständlich wie für professionell Pflegende spannend. In dieser überarbeiteten, zweiten Auflage wird deutlich, wie wichtig eine interprofessionelle Betrachtung von komplexen Versorgungssettings und wie anspruchsvoll die Angehörigenarbeit ist.

Dieser praxisnahe Leitfaden mit seinen vielen Tipps und Hinweisen u. a. zu Pflege- und Krankengeld, Pflegekarenz oder Unterstützungsfonds bezieht sich ausschließlich auf gesetzliche Grundlagen und Rahmenbedingungen in Österreich.
Leichte Schwächen finden sich in den formalen Aspekten: teilweise wurde nicht einheitlich indirekt zitiert. Zwischendurch findet sich „vgl.“ und es gibt mal eine Seitenangabe und mal nicht. Im Literaturverzeichnis wurden leider einige Quellenangaben vergessen oder nicht korrekt aufgeführt, wie Müller (2018), Bowlby (2010), Gomes et al. (2012), Mikulincer et al. (2002), Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (2016) und auch Jensen und Given (1993).

Eine Rezension von Prof. Dr. Eileen Goller