Sara Marquard
Gezeichnet sein: Fortgeschrittener Brustkrebs und Körpererleben
Zur Bedeutung körperlicher Veränderungen und leiblichen Erlebens von Frauen in der letzten Lebensphase
V&R unipress Universitätsverlag, Osnabrück, 2022, 355 Seiten, 50,- €, ISBN: 978-3-8471-1425-3
Dr.in Sara Marquard ist Gesundheits- und Krankenpflegerin sowie Pflegewissenschaftlerin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Gesundheitsforschung und Bildung in der Abteilung Pflegewissenschaft an der Universität Osnabrück. Ihre Publikationsliste kann unter folgendem Link nachgeschlagen werden: https://tinyurl.com/bbmjbz72. Dieses Buch ist im Rahmen ihrer Dissertation im Fach Pflegewissenschaften entstanden. In der Einleitung grenzt Marquard die Ausgangslage und das Erkenntnisinteresse ihrer Forschungsarbeit ab, und stellt im 2. Kapitel den empirischen und theoretischen Bezugsrahmen dar. Dieser Teil besteht vor allem aus einer umfangreichen Literaturrecherche und der Reflektion über den Rechercheprozess, aber auch der Darstellung der für die Analyse relevanten, theoretischen Konzepte. Forschungsfragen und die methodische Herangehensweise für die Datenerhebung werden in Kapitel 3 und 4 beschrieben. In Kapitel 5 interpretiert Marquard die empirischen Ergebnisse entlang der Logik der Grounded Theory. In den Kapiteln 6 und 7 reflektiert sie eigene Vorannahmen, ihre Beiträge zum Forschungsfeld und formuliert Ausblicke für zukünftige Studien.
Um das Körpererleben der Protagonistinnen zu verstehen, bezieht Marquard die Bedeutung des in Vergessenheit geratenen Konzepts „Leib“ mit ein. Damit leistet die Autorin einen bedeutenden Beitrag in dem hier vorliegenden Forschungsfeld, in dem leibliche Wahrnehmungen bisher unberücksichtigt blieben. Während das Körpererleben von Frauen mit neudiagnostiziertem Brustkrebs bereits ausgiebig untersucht ist, fehlten solche Studien bisher im Zusammenhang mit Frauen mit metastasierten Brustkrebs, die sich in der letzten Lebensphase befinden. Die Selbstdarstellungen und Selbstdeutungen der Interviewten machen die Dominanz biomedizinischer Ansätze und die Übermedikalisierung i. V .m. dieser Patientinnengruppe deutlich. Um der individuellen Selbstbestimmung in der palliative Care besser nachgehen zu können, formuliert Marquard konkrete Verbesserungsmöglichkeiten wie das Ermutigen der Frauen in der Versprachlichung ihres Körpererlebens, der kritischen Reflektion von Routineangeboten oder der Etablierung von Körper(erleben) orientierten Interventionen. Häufig liegt der Fokus palliativer Therapien im Zusammenhang mit metastasierten Krebs auf pathophysiologischen Perspektiven, in denen die persönliche und emotionale Gesamtsituation der zu betreuenden Frauen aus dem Blick verloren wird.
Die Einsichten und Inhalte dieses Werkes sind vor allem an Fachkräfte, welche in den pflegerischen Bereichen Breast Care Nursing und Palliative Care tätig sind, aber auch an Forschende im Bereich Pflegewissenschaften, gerichtet.
Marquards qualitative Studie erweitert das Wissen über Frauen mit einer fortgeschrittenen Brustkrebserkrankung. Mithilfe der Grounded Theory und Leitfadeninterviews mit Betroffenen erarbeitet die Autorin ein Handlungs- und Interaktionsmodell, in welchem sie zeigt, wie die Frauen durch die Krankheit und die damit verbundenen körperlichen Auswirkungen „gezeichnet sind“. Das empirische Material und die Analyse, aber auch die umfangreiche Literatur- und Theorierecherche ermöglichen die Infragestellung und Überarbeitung von bisherigen Annahmen auf unterschiedlichen Ebenen. Zum einen leitet Marquard konkrete Anforderungen an die professionellen Akteur*innen in den unterschiedlichen palliativen Versorgungsstrukturen ab, zum anderen leistet sie relevante Beiträge zum Hinterfragen und Vervollständigen gängiger theoretischer Modelle wie z. B. dem Phasenmodell zu chronischer Krankheit oder dem „Shifting Perspective Model of Chronic Illness“.
Eine Rezension von Dr.in Magdalena Skowronski