Anne Meißner, Christophe Kunze (Hrsg.)
Neue Technologien in der Pflege
Wissen, Verstehen, Handeln
Kohlhammer, Stuttgart, 2021, 310 Seiten, 42,00 €, ISBN 978-3-17-036779-1
Pflegerisches Handeln ist durch zunehmenden Arbeitsdruck, steigende Arbeitsverdichtung und wachsende physische und psychische Belastungen gekennzeichnet. Parallel dazu nimmt die Digitalisierung und Technisierung im pflegerischen Versorgungsalltag stetig zu.
Der Einsatz von Technologien in der pflegerischen Versorgung und Betreuung hat Auswirkungen auf die Organisation und den Ablauf von Arbeitsprozessen. Der Technikeinsatz greift in den Workflow der Pflegearbeit ein. Verändert werden dadurch die Akteurskonstellationen in der pflegerischen Versorgung. Mit dem Einsatz pflegeunterstützender Technologien wird u. a. die Intention verbunden, zeitintensive und körperlich anstrengende Tätigkeiten im Pflegealltag zu reduzieren und die Arbeitsbedingungen zu verbessern, damit mehr Zeit für die eigentliche Pflege zur Verfügung steht.
Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich der von Anne Meißner und Christophe Kunze herausgegebene Sammelband mit den Potenzialen, aber auch Herausforderungen und Limitationen, die mit dem Einsatz bestehender und neuer Technologien in der Pflege einhergehen. Schon im Vorwort wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Entwicklung, Erprobung, Implementierung und Bewertung von Pflegetechnologien an der Bedürfnis- und Bedarfslage der betroffenen Zielgruppen auszurichten (S. 14).
Der Sammelband setzt sich aus insgesamt fünf Abschnitten zusammen und orientiert sich an den im Buchtitel genannten Leitgedanken ‚Wissen, Verstehen, Handeln‘. Der einleitende Teil fokussiert auf die Erörterung der grundlegenden Frage, wie Technik und Pflege zusammenpassen (können) und welche Herausforderungen sich an die Gestaltung der pflegerischen Interaktionsarbeit stellen. Der zweite Abschnitt gibt einen Überblick über praktische Anwendungsfelder von Techniksystemen in der Pflege. Das Spektrum reicht von der Akutpflege über die stationäre Langzeitpflege bis hin zur häuslichen Pflege. Der Schwerpunkt im dritten Abschnitt liegt bei der Darstellung der Potenziale, aber auch Grenzen des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz und Robotik im Kontext von Pflege und Versorgung. Anhand von praktischen Beispielen werden Handlungsoptionen und Implementierungsbedingungen beschrieben. Der vierte Abschnitt ist der Forderung nach einem reflektierten Umgang bei der Nutzung und Gestaltung von Technologien im pflegerischen Versorgungsalltag gewidmet. Die behandelten Themen reichen von Fragen der Technikakzeptanz, ethischen und datenschutzrechtlichen Aspekten bis hin zu Überlegungen zur Notwendigkeit von lokalen Beratungsangeboten für Pflegebedürftige und An- bzw. Zugehörige. Im abschließenden fünften Abschnitt wird vom Herausgeberteam ein couragierter Ausblick nach vorne bezüglich der Potenziale des Technikeinsatzes zur Realisierung der Version von guter Pflege und gutem Leben vorgenommen.
Anne Meißner und Christophe Kunze geben mit ihrem Sammelband einen aktuellen und differenzierten Überblick über das breite Spektrum der Anwendungsfelder von Technologien in der pflegerischen Versorgung und Betreuung. Besonders positiv hervorzuheben ist der gewählte Ansatz einer interdisziplinär angelegten Betrachtungsweise und kritischen Reflexion der vielfältigen Wechselbeziehungen in der pflegerischen Mensch-Maschine-Interaktion. Mit dem Sammelband wird ein wichtiger Beitrag dahingehend geleistet, das Wissen, das Verstehen und die Handlungsoptionen bezüglich der Potenziale, aber auch der Grenzen pflegeunterstützender Technologien systematisch und übersichtlich zusammenzustellen. Insofern wird dem Anspruch und der Zielsetzung des Buches in vollem Umfang entsprochen. Die Zusammenstellung der Beiträge folgt einer dem Sammelband zugrundeliegenden Logik, die mit der Zielsetzung verbunden ist, Nutzenden und Betroffenen eine praxisnahe Orientierung zu den Grundlagen, Rahmenbedingungen und Folgen des Technikeinsatzes in der ambulanten und stationären Pflege zu geben.
Der vorliegende Sammelband ist in besonderer Weise dafür prädestiniert, die Diskussionen über die Art und Weise sowie den Umfang der Unterstützung der Pflege durch digitale Technologien innerhalb und außerhalb der Pflegeprofession auf eine fundierte Grundlage zu stellen. Es muss ein gemeinsames Verständnis dahingehend entwickelt werden, wie der Technik-Pflege-Mix in Zukunft aussehen soll, wie Betroffene partizipativ an der Technikentwicklung und -implementierung beteiligt werden können und wie viel Technik die Pflege eigentlich und notwendigerweise braucht. Im Vordergrund sollte die Zielsetzung stehen, den Nutzen und damit den Mehrwert der Digitalisierung im pflegerischen Versorgungsalltag möglichst optimal zu gestalten.
Dem Herausgeberteam ist bewusst, dass das Buch „… die große Bandbreite der Themen und Fragen, die mit der Digitalisierung in der Pflege zusammenhängen, nicht vollständig abdecken“ (S. 300) kann. Es wäre zu wünschen, wenn Anne Meißner und Christophe Kunze sich entschließen würden, in einem weiteren, ähnlich angelegten Buch weitere relevante Themen wie Nutzung von Apps in der Pflege, digitale Pflegedokumentation mit Spracherkennung, Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) in der Pflege, Organisationsentwicklung im Kontext von Pflege 4.0 oder Vermittlung und Nutzung digitaler Kompetenzen aufzugreifen und analog zu durchleuchten.
Eine Rezension von Prof. Dr. Wolfgang Becker