Primary Nursing in der ambulanten Langzeitpflege. Auswirkungen aus pflegeökonomischer Perspektive

primary nursing in der ambulanten langzeitpflegeChristine Bretbacher
Primary Nursing in der ambulanten Langzeitpflege
Auswirkungen aus pflegeökonomischer Perspektive

W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart, 2021, 232 Seiten, 49,00 €, ISBN 978-3-17-039596-1

Thematik und Kontext

Der demografische Wandel wirft nicht nur in Österreich Fragen zur Bewältigung und Finanzierung bezogen auf die Erbringung pflegerischer Leistungen auf. Gerade die Möglichkeiten der ambulanten Langzeitpflege werden von Menschen mit einer Pflegebedürftigkeit sowie ihren An- und Zugehörigen zunehmend genutzt. Das Zusammenspiel aus einem Mehr an benötigten Pflegeleistungen und einem gleichzeitigen Mangel an Pflegepersonen führt die Autorin dazu, sich die pflegerischen Ablauforganisationen genauer anzusehen. Primary Nursing steht dabei für ein Pflegesystem, in welchem primärverantwortliche Pflegepersonen eine professionelle Pflegebeziehung zu den Pflegebedürftigen aufbauen als auch eine umfassende und individuelle Pflege und Betreuung durchführen. Ein besonderer Schwerpunkt wird auf die Berücksichtigung der pflegeökonomischen Perspektive gelegt.

Über die Autorin

Mag. Dr. Christine Bretbacher ist eine Gesundheitswissenschaftlerin, Pflegeökonomin sowie systemische Leadership Coachin und Trainerin. Im Rahmen praktischer Tätigkeiten erstellt die diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin u. a. diverse Gutachten mit dem Schwerpunkt Pflegesystemgestaltung und Arbeitsorganisation in der stationären und ambulanten Pflege. Als Wissenschaftlerin liegt ihr Forschungsinteresse auf der pflegerischen Versorgungsforschung mit dem Schwerpunkt auf positives Practice Environment, der Entwicklung von Gesundheitskompetenz sowie Resilienz.

Rahmen der Publikation

Bei der vorliegenden Publikation handelt es sich um eine Dissertationsschrift, die 2019 verfasst und 2021 als Buch erschienen ist. Sie wurde an der privaten Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik, Institut für Management und Ökonomie im Gesundheitswesen am Department Public Health, Versorgungsforschung und HTA erstellt.

Überblick zum Aufbau und zur Gliederung des Buches

Das Buch weist einen klassischen Aufbau (Einleitung, Methode, Ergebnisse, Diskussion) auf. In der Einleitung werden die Hintergründe zur durchgeführten Studie erläutert, Inhalte, Ziele sowie wichtige Begrifflichkeiten erläutert. Die theoretische Annäherung erfolgt unter anderem über Definitionen von Pflegebedürftigkeit und Pflegebedarf, Pflegeausgaben sowie dem Forschungsstand zum Thema Primary Nursing in der ambulanten Langzeitpflege. Die Methodik beschreibt das Studiendesign sowie die Kostenanalyse als auch die Durchführung der Studie. Im Ergebnisteil werden die Ergebnisse innerhalb der Studiengruppen verglichen und in verschiedene Blickrichtungen interpretiert. Eine Diskussion und ein Fazit runden die Gliederung ab.

Diskussion

Dem Buchrücken ist zu entnehmen, dass erstmalig im deutschsprachigen Raum eine pilotierte Interventionsstudie zeigt, wie sich Primary Nursing konkret umsetzen lässt und welche Auswirkungen zu erwarten sind. Der Nutzen dieses Buches ist somit für zwei Zielgruppen relevant: Auf der einen Seite für Fachpraktiker*innen, die im Rahmen des Managements oder in Form von pflegewissenschaftlichen Stabstellen tätig sind. Auf der anderen Seite für Wissenschaftler*innen, die einen Eindruck über einen gelungenen Aufbau sowie der passenden Durchführung einer Interventionsstudie bekommen wollen. Die Probleme der Praxis werden dabei durch wissenschaftliche Methoden aufbereitet, erforscht und versucht zu lösen. Dabei ist das Thema genau richtig eingegrenzt. Durch die Kombination einer gesellschaftlichen Problemstellung (Mangel an Pflegepersonen, gleichzeitig höhere Nachfrage) sowie einer pflegewissenschaftlichen Lösung (Primary Nursing) Auswirkungen aus einer pflegeökonomischen Perspektive aufzuzeigen, überzeugt. Die aufgezeigten Argumentationsketten können in der Praxis dafür genutzt werden, mit Fachpersonen aus dem Bereich Controlling auf gleicher Augenhöhe zu argumentieren, die Versorgungspraxis und die ökonomische Perspektive einander näher zu bringen sowie am Ende einen wesentlichen Beitrag für Menschen zu leisten, die auf pflegefachliche Unterstützung angewiesen sind.

Die Autorin beschreibt als Ziel der Dissertation, Erkenntnisse über die Wirksamkeit des Pflegesystems Primary Nursing in der ambulanten Langzeitpflege zu gewinnen. Dieses Ziel kann als erreicht betrachtet werden. Durch die übersichtliche Textgestaltung werden die Leser*innen gut mitgenommen. Wie bei einer Dissertationsschrift zu erwarten, liegt der Schwerpunkt dabei auf der Darstellung komplexer Erkenntnisse. Die Autorin schafft es, ein Thema mit einem hohen aktuellen Bezug strukturiert und anschaulich aufzubereiten.

Auch wenn durch die Anwendung von Primary Nursing keine Effekte auf pflegerische Outcomes festgestellt werden können, zeigt die durchgeführte Studie Effekte im Hinblick auf eine Ausgabenminimierung der Kostenträger und ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis auf Seiten der Pflegedienste.

Fazit

Dieses Buch macht Mut, die Praxis verändern zu wollen. Es steht gleichsam für die Umsetzung von Konzepten und Ideen aus der Praxis für die Praxis. Kombiniert mit wissenschaftlicher Expertise und der pflegeökonomischen Perspektive hat Frau Mag. Dr. Christine Bretbacher ein gelungenes, rundes Werk verfasst, welches den Wissenskanon vor allem im Bereich der ambulanten Langzeitpflege erweitert.

Lesenswert ist dieses Buch für alle, die in Management oder pflegewissenschaftlichen Stabsstellen im Bereich der ambulanten Langzeitpflege arbeiten. Die Zielperspektive der Wirkungsorientierung motiviert und regt die eigenen Gedanken an. Außerdem bietet das Buch Impulse für die Implementierung pflegewissenschaftlicher Konzepte, die einen Einfluss auf die Ablauforganisation und damit auch auf das Management haben.

Eine Rezension von Roman Helbig, M.A