Sabine Daxberger
Neue Technologien in der ambulanten Pflege
Wie Smartphones die Pflegepraxis (mit-)gestalten
Mabuse Verlag, Frankfurt am Main, 2018, 135 S., 24,95 €, ISBN 978-3-8632-1391-6
Die sog. Digitalisierung hält seit geraumer Zeit Einzug in das Gesundheitswesen und macht weder vor der formellen noch informellen Pflege halt. Synonym wird auch von digitaler Transformation, Technik oder Technisierung gesprochen. Welche Begrifflichkeiten auch immer gewählt werden, neue Technologien finden unaufhaltsam ihren Weg in die pflegerische Versorgung. Die Autorin greift dieses relevante Thema auf und fokussiert auf das in diesem Zusammenhang bisher in Deutschland wenig beachtete ambulante Setting. Der Einzug von Smartphones in den Arbeitsalltag Pflegender geht mit einem gesellschaftlichen Trend einher, beschreibt die Autorin (S. 17) richtig. Die Frage zu bearbeiten, wie Smartphones die ambulante Pflegepraxis (mit-)gestalten, ist deshalb von hoher Relevanz. Die Autorin bearbeitet das Thema am Beispiel Österreich.
Die Arbeit entstand im Studiengang Pflegewissenschaft als Masterthesis an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar. Es handelt sich um eine empirische Forschungsarbeit. Auf 135 Seiten finden sich acht Kapitel, die anhand der üblichen wissenschaftlichen Vorgehensweise strukturiert sind.
1. Einleitung
2. Technik im Gesundheitswesen und in der Pflege
3. Fragestellung und Zielformulierung
4. Methodisches Vorgehen
5. Ergebnisse der empirischen Untersuchung
6. Zusammenfassende Beantwortung der Fragestellungen und Schlussfolgerungen
7. Limitationen und Ausblick
In der Einleitung beschreibt Daxberger kurz ihre Motivation für die Bearbeitung des Themas und erläutert ebenso kurz den Aufbau des Buches. Mit dem folgenden Abschnitt (Technik im Gesundheitswesen und in der Pflege) leitet die Autorin auf die der Arbeit (im folgenden dritten Kapitel) zugrunde gelegten Fragestellungen hin:
1. Was zeigt sich in der Mensch-Technik-Interaktion mit mobilen Endgeräten zur Kommunikation und Dokumentation in der ambulanten Pflege?
2. Wie gestaltet sich die soziale Praxis ambulant Pflegender in diesem Kontext?
Sie gibt einen kurzen Abriss über die historische Entwicklung, erläutert den zugrunde gelegten allgemeinen Technikbegriff und führt im Folgenden ihr Verständnis für die „Neuen Technologien“ aus. In dieser einleitenden Übersicht stellt die Autorin neben dem Ausgangspunkt der Definition die Bedeutung ebendieser neuen Technologien für den beruflichen Pflegealltag und insbesondere für das ambulante Setting anhand bestehender und relevanter Literatur dar.
Den theoretischen Rahmen arbeitet die Autorin aus vier Perspektiven aus, die sukzessive aufeinander aufbauen. Sie beginnt mit einer kurzen Beschreibung wissenschaftstheoretischer Grundlagen. Diese münden in die schlussfolgernde Beurteilung, dass die gewählte dokumentarische Methode zur Interpretation der Daten als gewinnbringend eingeschätzt wird, da damit „ (…) ein Zugang zum Handlungsleitenden Wissen der Akteure und deren Handlungspraxis, also dem modus operandi ihrer Praxis erarbeitet‘“ wird (Weller, 2005, S. 300, Herv. im Original, S. 23). Darauf aufbauend beschreibt der folgende Abschnitt theoretische Überlegungen zum sozialen Feld Pflege, die auf dem Habituskonzept von Bordieux und darauf aufbauenden Überlegungen von Klaus R. Schröter basieren. Nachstehend beschreibt die Autorin das Feld der ambulanten Pflege in Österreich. Schließlich macht die Autorin deutlich, dass sie Technik als eigenständigen Akteur (in Anlehnung an die Akteur- Netzwerk-Theorie nach Latour) betrachtet und ihr Vorgehen sich daran orientiert.
Das methodische Kapitel erläutert die insgesamte Herangehensweise. Daxberger führt teilnehmende Beobachtungen im Handlungsfeld der ambulanten Pflege durch. Sie begründet diese Wahl nachvollziehbar, erläutert Feldzugang wie eingeschlossenes Sample und erklärt ihr Vorgehen bei der Datenanalyse. Das Kapitel wird von ethischen Überlegungen abgeschlossen.
Die Ergebnisse werden im Folgenden auf über 60 Seiten umfassend dargestellt. Daxberger beschreibt in diesen Ergebnissen, dass sich in der Empirie zentrale Themen zeigen:
1. Funktionen und Gebrauch der mobilen Endgeräte
2. Arbeitsorganisation mit mobilen Endgeräten
3. Dokumentation mit mobilen Endgeräten
4. Kommunikation zum Handling problembehafteter Situationen
5. Umgang mit akustischen Signalen
6. Probleme im Umfang mit mobilen Endgeräten
7. Mobile Endgeräte als Begleiter
Die Ergebnisse zeigen umfassend wie Smartphones die Pflege mitgestalten und finden ihre Zusammenfassung (6 Seiten) im siebten Kapitel. Daxberger greift die gestellten Fragen auf und formuliert, dass die genannten zentralen Themen zeigen, was sich in der Interaktion zwischen Mensch und Technik zeigt (Frage 1). Das Wie (Frage 2) erläutert sie anhand eines exemplarischen Beispiels, hier: „Unterschrift zur Bestätigung der Betreuungsleistung“.
Als Fazit formuliert die Autorin, dass die Nutzung digitaler Daten durch die Verwendung mobiler Endgeräte möglich wird und der selbstverständlich anmutende Umgang mit ebendieser Technik auf eine Inkorporation der Technik in die soziale Praxis hindeutet. Sie beschließt das Buch mit methodischen Limitationen sowie notwendigen zukünftigen weiteren Untersuchungen.
Dem Buch liegen ausgeprägte theoretische Überlegungen zugrunde. Die darauf aufbauende empirische Forschung wurde wissenschaftlich korrekt durchgeführt und nachvollziehbar beschrieben. Das ist eine Stärke des Buches. Die Herangehensweise weist deutlich auf die Zielgruppe hin. Für die Lektüre des Buches sind wissenschaftliche Basiskenntnisse erforderlich. Anzumerken ist, dass eine inhaltliche Diskussion der Ergebnisse fehlt. Und auch eine Ausarbeitung praktischer Aspekte aus diesen theoretisch fundierten empirischen Erkenntnissen wäre wünschenswert gewesen, z. B. auch um die Forschung damit für Nicht-Wissenschaftler zurück auf die Praxis zu beziehen und, einfach gesagt, den „Ball so wieder rund zu machen“.
Fazit
Wie Smartphones die ambulante Pflegepraxis (mit-)gestalten, bearbeitet die Autorin in diesem Buch. Der Inhalt basiert auf einer empirischen Masterthesis einer deutschen Hochschule im Fach Pflegewissenschaft, die auf teilnehmender Beobachtung basiert und die dokumentarische Methode zur Interpretation der Daten verwendet. Die empirische Forschung unterliegt ausgeprägten theoretischen Überlegungen und wird nachvollziehbar beschrieben. Es werden sieben zentrale Themen identifiziert. Anhand der identifizierten Themen wird aufgezeigt, wie die Mensch-Technik-Interaktion und die soziale Praxis sich mit mobilen Endgeräten (hier: Smartphones) gestaltet. Der selbstverständlich anmutende Umgang mit ebendieser Technik deutet zusammenfassend, schlussfolgert die Autorin, auf eine Inkorporation der Technik in die soziale Praxis hin. Die Erkenntnisse sind einer Masterthesis angemessen. Die Bedeutung der Erkenntnisse für die pflegerische Versorgungspraxis kommt insgesamt zu kurz. Das Buch ist für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geschrieben und für diese Gruppe eine interessante Lektüre, die das komplexe Thema Digitalisierung im pflegerischen ambulanten Versorgungsalltag aufgreift und dort greifbar und wissenschaftlich gut durchdacht verortet.
Eine Rezension von Prof. Dr. Anne Meißner (PhD, MScN, RN)