Methoden der Hochschulforschung. Eine methodische, erkenntnis- und organisationstheoretische Einführung

9783779960676Uwe Wilkesmann
Methoden der Hochschulforschung
Eine methodische, erkenntnis- und organisationstheoretische Einführung

Beltz Juventa, Weinheim / Basel, 2019, 132 S., 19.95 €, ISBN 978-3-7799-6067-6

Das Buch „Methoden der Hochschulforschung“ greift ein zunehmend bedeutsamer werdendes Thema auf. Im Fokus steht hierbei nicht die Hochschule als Ort der Forschung – sondern die Hochschule als Gegenstand der Forschung.

Der Autor – Prof. Dr. Uwe Wilkesmann – ist Inhaber des Lehrstuhls für Organisationsforschung und Weiterbildungsmanagement und gleichzeitig Direktor des Zentrums für Hochschulbildung an der Technischen Universität Dortmund. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Hochschul- und Organisationsforschung. Allein in den letzten zehn Jahren hat er zu diesen Schwerpunkten an zehn BMBF-Projekten und einem DFG-Projekt leitend mitgewirkt. Er ist national und international über die Mitgliedschaften in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS), der Gesellschaft für Hochschulforschung (GfHf), der European Group for Organizational Studies (EGOS) und im Consortium of Higher Education Researchers (CHER) breit vernetzt und über Vorträge und Veröffentlichungen einschlägig bekannt und weit über die Grenzen Deutschlands hinaus ein gefragter Referent.

Zu Beginn setzt sich der Autor ausgiebig mit der Hochschule als Organisation auseinander. Diese organisationssoziologische Reflexion dient als wesentliche Grundlage für die nachfolgende Auseinandersetzung mit dem Forschungsgegenstand. Das nachfolgende Kapitel beleuchtet kritisch die durchaus brisante Tatsache, dass in der Hochschulforschung die Forschenden ihre eigene Lebenswelt und ihr eigenes Tun beforschen. Es folgen ein Erklärungsmodell im Rahmen der Organisation Hochschule sowie drei ausgiebige Kapitel zu quantitativen und qualitativen Methoden der Hochschulforschung – und abschließend ein Transfer der Erkenntnisse auf ein Beispiel aus dem Bereich der Hochschulforschung. Mit diesem Aufbau wird eine einleuchtende, gut nachvollziehbare Argumentationslinie verfolgt, die sich auch in den einzelnen Kapitel wiederfindet.

In Kapitel 2 „Hochschulen als Organisationen“ wird aus organisationstheoretischer Sicht zunächst im Hinblick auf den Aspekt der Entscheidungsdurchsetzung geprüft, ob Hochschulen eher der Verbände- und Vereinsstruktur (bottom-up) oder der Unternehmensstruktur (to down) zuzurechnen seien. Dabei sieht der Autor einen entscheidenden Einfluss in der Entscheidungsstruktur von Hochschulen durch die Einführung des New Public Managements (NMP). Dadurch hätten sich die Hochschulen zu „complete organizations“ (S. 19) entwickelt.

Der Autor prüft weiter die Möglichkeiten der Übertragung der Prinzipal-Agenten-Theorie als ökonomischen Theorieansatz auf Hochschulzusammenhänge. Die dieser Theorie hinterlegte Informationsasymmetrie stellt für in diesem Transfer ebenso ein Problem dar wie die Tatsache, dass die Leistungen im Wissenschaftssystem nur schwer adäquat zu operationalisieren und „eine lineare Beziehung zu den Bemühungen und Anstrengungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu setzen“ (S.18) sind. Mit diesen und weiteren Argumentationen kommt der Autor zu dem Schluss, dass Hochschulen spezielle Organisationstypen darstellen.

Probleme in der Einordnung von Hochschulen in bekannte Theorien und Systeme ergeben sich u.a. daraus, dass der Übertrag divergierender Ziele von der Organisationsebene an die individuelle Ebene erfolgt (Lehre und Forschung sind nicht getrennten Personen oder Abteilungen zugewiesen, sondern ein und derselben Personengruppe überantwortet). Die Unabhängigkeit der einzelnen Mitglieder der Professorenschaft von der Lehre und Forschung der Mitglieder der anderen Fakultäten oder Fachbereiche lässt Hochschulen als lose gekoppelte Systeme erscheinen. Es erscheint zudem nur schwer darstellbar, wie genau erfolgreiche Lehre und erfolgreiche Forschung erreicht werden und gemessen werden können. Und es bestehen aufgrund der bestehenden Hierachien (bzw. Nicht-Hierarchien) Entscheidungs- und Durchsetzungsprobleme, die systemimmanent scheinen („Mülleimer-Modell“, S.30 ff.).

Wenn all diese Besonderheiten gut reflektiert werden
– so die Quintessenz des Autors zum Ende des Kapitels
– können sie auch Chancen darstellen. Dann hätte die Organisation Hochschule durchaus „gute Startchancen, sich in Richtung einer evolutionären Organisation zu entwickeln.“ (S. 34).

Im weiteren Fortgang betrachtet der Autor nun die Hochschulforschung an sich. Dabei widmet er sich zunächst in einer kritischen Betrachtung dem „Selbstobjektivierungs- und Selbstüberschätzungsproblem“ (S.39), das seiner Einschätzung nach dadurch entstehe, dass in der Hochschulforschung oftmals der eigene Alltag der Forschenden Gegenstand der Betrachtung sei – was diverse Gefahren berge (S. 40) . Diese Probleme begründen sich nach Meinung des Autors in der Nicht- Reflexion von eigenen Interessen oder fachspezifischen Wissensvorstellungen. Unter Bezug u.a. auf Positionen aus dem Positivismusstreit (Adorno und Popper), die Theorie des kommunikativen Handelns (Habermas) und die Überlegungen zu Konstruktionen erster und zweiter Ordnung (Schütz) leitet der Autor anschließend Möglichkeiten ab, den benannten Gefahren konstruktiv zu begegnen und überführt seine Erkenntnisse in Kapitel 4 in ein Erklärungsmodell im Rahmen der Organisation Hochschule.

Der nachfolgende zweite Teil des Buchs beschäftigt sich nun mit den konkreten Forschungsmethoden. Dafür gibt der Autor in Kapitel 5 zunächst einen groben Überblick über die Methodentypologie sowie forschungsethische Probleme – und prüft dann in Kapitel 6 die jeweiligen quantitativen und qualitativen Ansätze im Hinblick auf zu beachtende Besonderheiten im Transfer dieser Methoden auf die Hochschulforschung. Dabei beschreibt der Autor insbesondere auch das Problem der nonresponse in der Forschung allgemein – aber auch und gerade im Hinblick auf die Zielgruppen der Hochschulforschung, die er in ihren jeweiligen Besonderheiten auch noch einmal kurz charakterisiert.

In der Zusammenschau bietet dieses Buch einen überaus interessanten Einstieg in die Diskussion, inwiefern Hochschulen sich zunehmend zu Organisationen im Sinne organisationstheoretischer Überlegungen entwickeln – und was daran eine Herausforderung, was aber auch eine Chance sein kann. In der Skizzierung der einzelnen quantitativen und qualitativen Forschungsmethoden bleibt die Darstellung sehr grob und allgemein – was für den Themenzusammenhang aber auch ausreicht.

Denn primär scheint es die Zielsetzung des Autors zu sein, gute und fundierte Beispiele gelungener Hochschulforschung auf der Grundlage der jeweiligen methodischen Ansätze zu skizzieren und damit die Vielfalt von Hochschulforschung aufzuzeigen und auf den dadurch bedingten Erkenntnisgewinn neugierig zu machen. Dieses Neugierde-Wecken gelingt mit diesem Buch sehr gut – zumal durch den abschließenden Transfer auf ein konkretes Beispiel in Kapitel 8 auch noch einmal sehr anschaulich gemacht wird, wie mit dem Erkenntnisgewinn weitergedacht werden kann.

Das Buch ist sicherlich nicht ein klassisches Buch zu Forschungsmethoden im eigentlichen Sinne – und wer aufgrund des Titels da tiefgehende Beschreibungen einzelner Methoden oder einen ausgiebigen Diskurs dazu erwartet, der würde sicherlich seine Erwartungen nur bedingt erfüllt sehen. Wer aber neugierig gemacht werden möchte auf ein spannendes Forschungsfeld, das durch die Brisanz, dass es den eigenen Alltag beforscht, besonderen Sensibilitäten unterliegt, der findet in dem Buch viele Fragen beantwortet. In jedem Fall macht dieses Buch nachdenklich und erweist sich als ein spannender Impulsgeber für den weiteren wissenschaftlichen Diskurs.

Eine Rezension von Prof. Dr. Anke Fesenfeld