Schweizer Pflegeinitiative: Neues Gesetz und weitere Massnahmen für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege

pflege ausbildungsoffensive schweizDer Bundesrat will die Pflege als wichtigen Pfeiler der medizinischen Versorgung stärken und die Ende 2021 angenommene Pflegeinitiative rasch umsetzen. Im Mai 2022 hat er dazu bereits eine Ausbildungsoffensive verabschiedet. An seiner Sitzung vom 25. Januar 2023 hat er nun die Ausarbeitung eines neuen Bundesgesetzes sowie weitere Massnahmen in Auftrag gegeben, mit denen die Arbeitsbedingungen verbessert werden sollen. Damit soll insbesondere die Zahl der frühzeitigen Berufsaustritte reduziert werden. 

Die Pflege steht angesichts des Bevölkerungswachstums und der Alterung der Bevölkerung vor grossen Herausforderungen. Um die Qualität der Pflege erhalten zu können, müssen mehr Pflegefachkräfte ausgebildet und die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Beides waren Forderungen der Volksinitiative «Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative)», die am 28. November 2021 an der Urne angenommen wurde.

Der Bundesrat setzt die Initiative in zwei Etappen um. Die erste Etappe enthält eine Ausbildungsoffensive von Bund und Kantonen, für die während acht Jahren bis zu einer Milliarde Franken vorgesehen sind. Pflegefachpersonen sollen zudem bestimmte Leistungen direkt zulasten der Sozialversicherungen abrechnen können. Das entsprechende Bundesgesetz über die Förderung der Ausbildung im Bereich der Pflege wurde im Mai 2022 vom Bundesrat beschlossen und im Dezember 2022 vom Parlament verabschiedet. Damit können zentrale Forderungen der Initiative rasch umgesetzt werden.

Der Bundesrat wird bis im Sommer 2023 die Kriterien für die Ausbildungsbeiträge des Bundes formulieren und in die Vernehmlassung schicken. Das Gesetz soll voraussichtlich Mitte 2024 in Kraft treten. Ab diesem Zeitpunkt und befristet auf acht Jahre können die Kantone Bundesbeiträge beantragen. Damit die Kantone von Bundesbeiträgen profitieren können, müssen sie entsprechende gesetzliche Grundlagen schaffen.  

Neues Gesetz über die anforderungsgerechten Arbeitsbedingungen in der Pflege 

In einer zweiten Etappe will der Bundesrat nun die restlichen Elemente der neuen Verfassungsbestimmung umsetzen, insbesondere die anforderungsgerechten Arbeitsbedingungen und die besseren beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 25. Januar 2023 das Departement des Innern beauftragt, bis im Frühling 2024 in Zusammenarbeit mit dem BJ und SECO ein neues Bundesgesetz über die anforderungsgerechten Arbeitsbedingungen in der Pflege zu entwerfen. Im Fokus stehen Massnahmen, um die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern. 
Im neuen Bundesgesetz werden all jene Punkte geregelt, die einheitlich für den gesamten Pflegebereich gelten sollen. Dazu gehören etwa strengere Vorgaben zur Erstellung von Dienstplänen. Häufige kurzfristige und ungeplante Arbeitseinsätze sind für Pflegende sehr belastend und werden auch häufig als Grund genannt, den Pflegeberuf zu verlassen. Um die Planbarkeit zu erhöhen, sollen Dienstpläne künftig mindestens vier statt bisher zwei Wochen im Voraus festgelegt werden. Kurzfristige Anpassungen der Dienstpläne sollen zwar weiterhin möglich bleiben. Die Arbeitgeber sollen dann aber verpflichtet werden, Lohnzuschläge zu zahlen. Je kurzfristiger der Arbeitseinsatz ist, desto höher soll der Lohnzuschlag sein. 
Die Spital-, Heim- und Spitexverbände sollen zudem verpflichtet werden, für die verschiedenen Versorgungssettings (Akutspitäler, Psychiatrie, stationäre und ambulante Langzeitpflege) Empfehlungen für sogenannte Skill-Grade-Mixes auszuarbeiten. Diese bezeichnen die optimale Zusammensetzung von Pflegeteams aus Personen mit verschiedenen Kompetenzen, Erfahrungen (Skills) und Bildungsabschlüssen (Grade). 

Massnahmen: Verhandlungspflicht für Gesamtarbeitsverträge

Für all jene Massnahmen, die spezifisch für einzelne Pflegebereiche oder Institutionen gelten, sind auch nach Annahme der Pflegeinitiative die Kantone, Betriebe und Sozialpartner zuständig. Sie kennen die Anforderungen und Verhältnisse vor Ort am besten. Der Bundesrat will die Sozialpartner als zusätzliche Massnahme aber neu dazu verpflichten, Gespräche zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen aufzunehmen und über Gesamtarbeitsverträge (GAV) zu verhandeln. Vereinbart werden könnten etwa höhere Mindestlöhne, eine Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeiten in psychosozial besonders belastenden Arbeitssituationen, eine Stärkung der Mitwirkungsrechte bei der Organisation der Dienstplanung oder ein vom Arbeitgeber (mit-)finanziertes 24-Stunden Krippenangebot. Ob die GAV-Verhandlungspflicht neben den privatrechtlichen auch für öffentlich-rechtliche Leistungserbringer (Kantone, Gemeinden) gelten soll, lässt der Bundesrat prüfen. 
Die Organisation und Koordination des Vollzugs sollen im neuen Bundesgesetz explizit geregelt werden. Zudem wird das WBF beauftragt, zu prüfen, wie der Vollzug des Arbeitsgesetzes optimiert werden kann.
Der Bundesrat will im Weiteren prüfen, ob die Organisationen der Krankenpflege und Hilfe zu Hause sowie in den Spitälern und Pflegeheimen verpflichtet werden können, entweder einen internen Personalpool zu bilden, oder eine externe Lösung über einen Personalverleih vorzusehen.

Berufliche Entwicklung fördern

Neben den Arbeitsbedingungen sollen auch die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten verbessert werden. Der Bundesrat will prüfen, ob die Masterstufe und die Rolle der spezialisierten Pflegefachpersonen (Advanced Practice Nurse APN) im Bereich der Pflege reguliert werden sollen. Damit soll die Versorgungsqualität erhöht werden. Über eine entsprechende Änderung des Gesundheitsberufegesetzes soll das Parlament bis Ende 2025 entscheiden können. 
Seit 2018 führen die Kantone und das SBFI Wiedereinstiegsprogramme für Pflegefachpersonen durch. Diese Programme sollen verlängert werden. Bund und Kantone sollen sich weiterhin zu gleichen Teilen an den Kurskosten beteiligen.

Monitoring Pflege

Ob die verschiedenen Massnahmen von Bund und Kantonen im Bereich Pflege langfristig eine positive Wirkung zeigen, soll ein Monitoring zeigen. Kantone, Gesundheitsinstitutionen, Bildungseinrichtungen und Pflegeverbände unterstützen die Einführung eines solchen Monitorings. Über das weitere Vorgehen wird der Dialog Nationale Gesundheitspolitik von Bund und Kantonen am 1. Juni 2023 entscheiden.


Situation der Pflege in der Schweiz 
Dank der intensiven Anstrengungen von Bund und Kantonen konnte in den letzten Jahren die Zahl der Ausbildungsabschlüsse auf allen Stufen deutlich erhöht werden. Zwischen 2012 und 2019 hat die Zahl der Pflege- und Betreuungspersonen um 19 Prozent zugenommen. Die Zunahme betrifft hauptsächlich die Fachfrauen/Fachmänner Gesundheit FaGe (+13 800) und in etwas geringeren Masse die diplomierten Pflegefachfrauen und -männer (+10 700). 
Von den rund 185 600 Personen, die 2019 im Bereich Pflege und Betreuung in Schweizer Gesundheitsinstitutionen tätig waren, arbeiteten 45 Prozent in Spitälern und Kliniken, 39 Prozent in Alters- und Pflegeheimen und 17 Prozent in Spitex-Diensten. Die Zusammensetzung der Personalbestände variiert je nach Institutionstyp: Der Anteil diplomierter Pflegefachkräfte beträgt in Spitälern 70 Prozent, in der Spitex 42 Prozent und in den Alters- und Pflegeheimen 28 Prozent.
Das Verhältnis zwischen der Anzahl Pflegenden und der Anzahl Patientinnen und Patienten hat sich in den letzten Jahren in Spitälern sowie in Alters- und Pflegeheimen etwas verbessert, d.h. es stehen mehr Pflegende pro Patientin bzw. Patient im Einsatz. Die aktuellen Bedarfsprognosen zeigen indes, dass vor allem für die Alters- und Langzeitpflege in den kommenden Jahren deutlich mehr Pflegefachkräfte nötig sein werden, um die Qualität und Sicherheit der Pflege zu gewährleisten.


Zur Pressemitteilung: https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-92653.html

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