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Berufsgesundheits-Index Pflege durch Covid-19-Pandemie erneut auf Tiefstand
Der Berufsgesundheits-Index (BeGX) für Alten- und Krankenpflege, ermittelt durch die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund), ist im Jahr 2022 zum dritten Mal in Folge gesunken. Mit einem Indexwert von 90 in der Altenpflege und 77 in der Krankenpflege verzeichnet er den bisher niedrigsten Stand seit dem Basisjahr 2013. Ein wesentlicher Einflussfaktor hierfür sind die Auswirkugen durch die Covid-19-Pandemie.
Der wissenschaftlich ermittelte Berufsgesundheits-Index (BeGX) ist der einzige sozioökonomische Index zur Berufsgesundheit von Alten- und Krankenpflegekräften in Deutschland. Er basiert auf vier Dimensionen der Berufsgesundheit: Ressourcen, Arbeitsbedingungen, Arbeits- und Erwerbsfähigkeit sowie dem Medien-Meinungsklima. Für seine Berechnung fließen die aktuellsten Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) sowie von der BGW, DRV Bund, AOK, DGUV und Media Tenor ein.
Im Vergleich zu 2021 verzeichnet der Berufsgesundheits-Index für 2022 einen Rückgang von 4 Punkten in der Altenpflege, von 94 auf 90 Punkte, während in der Krankenpflege der Index um 11 Punkte von 88 auf 77 Punkte sinkt. Der Rückgang in der Krankenpflege betrifft alle vier berücksichtigten Dimensionen. In der Altenpflege hingegen zeigt sich lediglich in der Dimension „Medien-Meinungsklima“ eine positive Entwicklung.
Mehr Arbeitsunfähigkeitstage und viele Verdachtsmeldungen auf Berufskrankheiten
Die Werte in beiden Berufsfeldern verzeichnen den stärksten Rückgang in der Dimension „Arbeits- und Erwerbsfähigkeit“. In der Altenpflege sinkt der Index um 23 Punkte von 48 auf 25, während in der Krankenpflege ein Rückgang von 17 Punkten von 24 auf 7 Punkte im Vergleich zu 2021 zu verzeichnen ist. Diese Werte berücksichtigen die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage der Beschäftigten in der Pflege (AOK), das relative Risiko für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (BGW/DGUV) sowie die Inanspruchnahme von Erwerbsminderungsrente (DRV Bund) im Vergleich zum berufsgruppenübergreifenden Risiko.
In beiden Berufsfeldern hat sich die Situation in allen drei Bereichen verschlechtert. Besonders auffällig ist der Anstieg der Arbeitsunfähigkeitstage, der von 26 auf 32 Tage gestiegen ist. Damit zählt die Pflege zu den Berufsgruppen mit den höchsten Ausfallzeiten, während der Durchschnittswert für alle Berufsgruppen bei lediglich 15 Tagen liegt.
Der zweite wesentliche Faktor ist die 2022 nochmals erheblich gestiegene Zahl der Verdachtsanzeigen auf Covid-19 als Berufskrankheit. 2022 war das Jahr mit den mit Abstand höchsten Meldezahlen. Nie zuvor in ihrer Geschichte ist der BGW häufiger der Verdacht auf eine Infektionskrankheit als Berufskrankheit angezeigt worden
, berichtet Jörg Schudmann, Hauptgeschäftsführer der BGW. Nicht in allen Fällen hat sich der Verdacht auf eine berufsbedingte Erkrankung an Covid-19 auch bestätigt und die meisten erkrankten Versicherten hatten zum Glück einen eher milden Verlauf. Tausende aber waren und sind zum Teil immer noch langfristig erkrankt. Rund 4.500 Betroffene haben wir in unser Reha-Management aufgenommen. Sie brauchen eine intensive Begleitung und Unterstützung, um den Weg zurück in den Beruf und das soziale Leben zu finden.
Im Gegensatz zu den steigenden Zahlen der Arbeitsunfähigkeitstage und den Verdachtsmeldungen auf Berufskrankheiten hat sich das Risiko, eine Erwerbsminderungsrente in Anspruch zu nehmen, nur marginal erhöht. Wir haben es trotz der hohen Risiken dieser Berufsgruppen in der Pandemie geschafft, die Erwerbsfähigkeit weitgehend zu erhalten. Das spricht wieder einmal für die gesellschaftliche Relevanz unserer Präventions- und Rehabilitationsleistungen
, konstatiert Brigitte Gross, Direktorin der Deutschen Rentenversicherung Bund.
Punktwerte für Ressourcen ebenfalls zurückgegangen
Ressourcen sind wesentliche Faktoren, die Pflegekräften dabei helfen, die täglichen Herausforderungen erfolgreich zu meistern. Dazu zählt u.a. die Arbeitszufriedenheit, die in der Krankenpflege von 108 auf 97 Punkte gesunken ist, während sie in der Altenpflege von 99 auf 92 Punkte zurückgegangen ist. Auch die Weiterbildung hat unter den aktuellen Bedingungen gelitten: In der Altenpflege sinkt der Wert von 88 auf 81 Punkte, während er in der Krankenpflege von 100 auf 71 Punkte fällt. Zudem zeigt sich, dass männliche Pflegekräfte im Allgemeinen eine höhere Zufriedenheit mit ihrer Arbeit aufweisen als ihre weiblichen Kolleginnen.
Im Gegensatz dazu bleibt die Einkommenszufriedenheit der Beschäftigten in der Altenpflege mit 114 Punkten auf einem hohen Niveau. In der Krankenpflege ist sie zwar von 115 auf 101 Punkte gesunken, liegt jedoch weiterhin über dem Ausgangswert von 2013. Bei der Einkommenszufriedenheit sieht man die Früchte der politischen Anstrengungen der letzten Jahre
, so Co-Autor Dr. Matthias Vollbracht von Media Tenor.
Arbeitsbedingungen zeigen gemischtes Bild
Die Besorgnis über die Arbeitsplatzsituation bleibt weiterhin gering und liegt etwa 40 Punkte (Altenpflege) beziehungsweise 60 Punkte (Krankenpflege) über dem Wert von 2013. Die Situation hinsichtlich der vom Arbeitgeber angeordneten Wechselarbeitszeiten ist stabil im Krankenhaus oder zeigt eine leichte Verbesserung in der Altenpflege. Allerdings ist eine Verschlechterung bei den Überstunden zu verzeichnen, und zunehmend mehr Pflegekräfte berichten von befristeten Arbeitsverträgen.
Insgesamt ist der Teilindex für Arbeitsbedingungen in der Altenpflege von 126 auf 123 Punkte gesunken, während er in der Krankenpflege von 119 auf 112 Punkte zurückgegangen ist. Diese Veränderungen könnten auf die zunehmend schwierigen ökonomischen Rahmenbedingungen vieler Pflegeeinrichtungen hindeuten. Dennoch zeigt der aktuelle Indexwert, dass die Alten- und Krankenpflege angesichts anderer volkswirtschaftlicher Dynamiken weiterhin gute Beschäftigungschancen bietet
, sagt Co-Autor Dr. Stefan Gorgels von DIW Econ.
Medien-Meinungsklima unterscheidet sich
In Umfragen betonen Pflegekräfte regelmäßig die Bedeutung von gesellschaftlicher Anerkennung für ihren Beruf. Das Medien-Meinungsklima, das sich auf TV- und Radionachrichten, die BILD-Zeitung sowie ausgewählte Wochenmedien bezieht, dient als Indikator für die öffentliche Wahrnehmung des Pflegeberufs. Im langfristigen Trend zeigt sich, dass das Medien-Meinungsklima stark schwankt, abhängig von den jeweiligen aktuellen Schwerpunktthemen.
Zu Beginn der Covid-19-Pandemie erhielt die Krankenpflege erhebliche Wertschätzung in den Medien, was sich im Indexwert von 2020 niederschlug: Mit 120 Punkten wurde der höchste Wert seit Beginn der Erhebungen erreicht, und zahlreiche Fernsehberichte hoben die herausragenden Leistungen der Pflegekräfte hervor. Im Gegensatz dazu war die Berichterstattung über die Altenpflege stark von den Pandemieausbrüchen in den Einrichtungen und den Herausforderungen durch Zugangsrestriktionen geprägt.
Bis zum Jahr 2022 hat sich die Situation gewandelt: Die positive Berichterstattung über die Krankenpflege hat deutlich abgenommen, und der Indexwert fiel auf zuletzt 97 Punkte. Im Gegensatz dazu hat sich das Medien-Meinungsklima in der Altenpflege verbessert und erreicht nun 118 Punkte, was unter anderem auf Berichte über Lohnsteigerungen zurückzuführen ist.
Eine Präsentation zu den Kerndaten des jüngsten BeGX steht auf www.bgw-online.de/begx zum Download bereit. Der vollständige Bericht als Broschüre wird dort Anfang 2025 veröffentlicht.
Zur Pressemitteilung: https://www.bgw-online.de/bgw-online-de/presse/begx-berufsgesundheits-index-pflege-durch-covid-19-pandemie-erneut-auf-tiefstand-97942
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