Projekt ViKI pro: Untersützung durch KI in der Langzeitpflege

künstliche intelligenz in der langzeitpflegeDie stationäre Versorgung von pflegebedürftigen Menschen in Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Laut Statista wird die Zahl der pflegebedürftigen Menschen bis 2030 um 50 Prozent steigen, während das Angebot an Arbeitskräften voraussichtlich weiter abnehmen wird. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, bieten KI-basierte digitale Systeme eine vielversprechende Lösung. Im Projekt „Versorgungsintegrierte Künstliche Intelligenz im professionellen Pflegeprozess“ (ViKI pro) ermöglichen Forschende des Fraunhofer ITWM gemeinsam mit Partnern Pflegefachkräften die Erhebung von individuellen Pflegebedarfen und die Planung geeigneter Maßnahmen mit Unterstützung von KI.

Die Situation in der Pflege ist angespannt: Immer weniger Pflegekräfte müssen immer mehr Pflegebedürftige betreuen. Prognosen zufolge wird die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland bis 2060 auf über 4,6 Millionen anwachsen. Für die Betreuung sind ausgebildete Pflegekräfte mit umfassendem Pflegefachwissen notwendig, da die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen individuell und vielseitig sind und komplexe Pflegesituationen profunde Entscheidungen in kurzer Zeit erfordern. KI-basierte digitale Systeme bieten eine Möglichkeit, Pflegekräfte zu entlasten, ihren Arbeitsalltag zu verbessern und mehr zeitlichen Freiraum für pflegerische Tätigkeiten zu schaffen.

Im Projekt ViKI pro entwickelt und erprobt das Fraunhofer ITWM ein wissens- und datengetriebenes Assistenzsystem für die professionelle Pflegeprozessgestaltung in der Langzeitpflege. Dieses System ermöglicht es Pflegeexpertinnen und -experten, individuelle Pflegebedarfe zu erheben und geeignete Maßnahmen auf der Grundlage von digitalisiertem Fachwissen zu planen. Die Dokumentation der durchgeführten Pflegemaßnahmen in der Webanwendung wird auch zur Gewinnung von Erfahrungswissen genutzt, das bei zukünftigen ähnlichen Planungssituationen verwendet werden kann. Mit dieser digitalen Unterstützung der Prozesse sollen die Versorgungsqualität in der stationären Pflege verbessert und die vorhandenen knappen Ressourcen geschont werden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Vorhaben durch das Programm „Miteinander durch Innovation – Interaktive Technologien für Gesundheit und Lebensqualität“. Zum Konsortium gehören neben dem Fraunhofer ITWM das August-Wilhelm Scheer Institut für digitale Produkte und Prozesse gGmbH, Connext Communication GmbH, Johanniter Seniorenhäuser GmbH, Caritas Betriebsführungs- und Trägergesellschaft GmbH sowie der AOK-Bundesverband als assoziierter Partner. Das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. koordiniert das Projekt.

Am Fraunhofer ITWM in Kaiserslautern wird ViKI pro von einem Projektteam mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern Dr. Maximilian Pilz, Dr. Jonas Flechsig und Murray Heymann unter der Leitung von Dr. Alexander Scherrer bearbeitet. „Unser Ziel für die Pflegepraxis ist es, eine effiziente Planung von fallspezifisch optimalen Pflegeleistungen auf der Grundlage von vorhandenem Experten- und Erfahrungswissen zu ermöglichen“, sagt Dr. Alexander Scherrer, stellvertretender Abteilungsleiter „Optimierung in den Life Sciences“. „Dafür verfolgen wir einen modellbasierten Ansatz und nutzen das vorhandene Fachwissen, digitalisieren es und machen es KI-nutzbar.“

Eine gute Datenbasis ist entscheidend. Jeder Pflegefall in ViKI pro wird mit einer umfangreichen und detaillierten Anamnese inklusive Risikomatrix erfasst, wobei zahlreiche Faktoren wie Bettlägerigkeit, Selbstversorgung, Übergewicht, Depression, Müdigkeit bei täglichen Aktivitäten und kognitive Beeinträchtigungen berücksichtigt werden. Das vom Fraunhofer ITWM entwickelte System schlägt dann ausgehend von den Daten eines Pflegefalls und von digitalisiertem Pflegewissen mittels Künstlicher Intelligenz geeignete Pflegemaßnahmen vor. Im ersten Schritt fokussieren sich die Forschenden auf die Handlungsfelder Mobilität und Schmerz.

„Wird nun ein Fall in die Software hochgeladen, so wird die Wissensbasis automatisch ausgewertet, die Pflegeplanerin und der Pflegeplaner erhalten Vorschläge für fallspezifisch geeignete Pflegemaßnahmen inklusive Begründung, warum bestimmte Maßnahmen optimalerweise geeignet sind. Die Software ersetzt also das manuelle, mitunter auch fehleranfällige Aussuchen und Abwägen von Maßnahmen“, erläutert Dr. Scherrer den Vorteil der KI-basierten Anwendung. Die Pflegeplanerinnen und Pflegeplaner können die vorgeschlagenen Maßnahmen dann auf der Grundlage ihrer Erfahrungen abwägen und geeignete Maßnahmen auswählen.

ViKI pro entwickelt damit den etablierten manuellen Pflegeplanungsprozess, wie er mit klassischen Pflegedokumentationssystemen durchgeführt wird, weiter zu einem KI-assistierten Prozess. Durch Integration der Pflegedokumentation bietet ViKI pro eine umfassende digitale Prozessunterstützung.

„Nach Durchführung der Maßnahmen können die Pflegefachkräfte diese im Hinblick auf ihre Wirksamkeit beurteilen. Aus diesen Datenbeständen gewinnen wir mit Hilfe von KI praktische Erfahrungswerte, die in künftige Pflegeentscheidungen einfließen“, erläutert der Mathematiker Dr. Scherrer den Ansatz.

Ein erster Prototyp des Systems wird bereits diesen Sommer in den Pflegeeinrichtungen der Caritas und der Johanniter erprobt.


Zur Pressemitteilung: https://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2024/juni-2024/unterstuetzung-fuer-pflegekraefte-langzeitpflege-mit-ki.html

Foto: stock.adobe.com – issaronow

 

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